FALLSTUDIE "AUSLAGERUNG VON
ENTWICKLUNGSBÜROS BEI ALCATEL
STR (SCHWEIZ) "
Disclaimer:
Inhalt und Aussagen dieses
Vortrages widerspiegeln die
persönliche Meinung des
Verfassers und brauchen sich
nicht mit der Meinung seines
Arbeitgebers zu decken.
Vortrags-Struktur:
-
Wie es zu unserer Aussenstelle
kam (Geschichte und Gründe)
-
Beschreibung des
Satelliten-Büros Mollis
-
Auswirkungen auf die Kosten
-
Auswirkungen auf die
technische Arbeit
(Entwicklungs-Tätigkeit)
-
Spezialitäten des sozialen
Klimas
-
Abschlußbetrachtung:
- Gründe für bisheriges
Gelingen
- Chancen
- Risiken
- Maßnahmen
Abschnitt 1:
WIE ES ZU UNSERER
AUSSENSTELLE KAM
(Geschichte und Gründe)
1986
Eröffnung des ersten
Satellitenbüros unserer Firma in
Aadorf (TG, zwischen Winterthur
und Frauenfeld), 5 Mitarbeiter.
Sommer 1988
Nach 4 Jahren Pendlerleben
('Tagwache' um 05:00, damit ich
um 18:00 wieder daheim bei der
Familie war), veranlassen mich
persönliche Bedürfnisse zur
Lancierung der Startidee
'Satellit Glarner Unterland'.
Für die Firma kommt der
Zeitpunkt günstig, da zu dieser
Zeit in unserer Sektion
Mitarbeiter fehlten, und wir uns
Chancen ausrechneten, außerhalb
der Agglomeration Zürich eher
neue Mitarbeiter zu finden. Als
'conditio sine qua non' brauchte
die Firma aber einen motivierten
Mitarbeiter, welcher schon
längere Zeit in der Firma
arbeitete und damit die
Firmenkultur kannte, der diese
Außenstelle aufbauen und leiten
konnte. Diese Anforderungen
erfüllte ich und so fiel meine
Idee auf fruchtbaren Boden.
Herbst 1988
Nach einer Grobkalkulation der
Kosten wird durch die
Geschäftsleitung ein positiver
Grundsatzentscheid zum 'Satellit
Glarner Unterland' gefällt.
1989
Personal-Rekrutierung und
Lokalitäten-Suche (unter starker
Mitwirkung meinerseits, um mein
Wissen über die lokalen
Gegebenheiten am geplanten
Standort auszunutzen) werden
erfolgreich abgeschlossen.Als
Eröffnungstermin des neuen
Satelliten-Büros wird der
Spätfrühling 1990 gewählt, weil
zu diesem Zeitpunkt in der
betroffenen Sektion der Firma
keine großen Projekte in
kritischen Phasen liegen.
Frühling 1990
Die Miete für die Lokalitäten
beginnt am 1.2.1990. Es folgen
'Umbau' der Räumlichkeiten
(Räume waren vorher als
Fabrikationsräume für
Dekorationsartikel genutzt;
notwendig war Neustreichen der
Räume, Teppich, Neuinstallation
von Beleuchtung, Elektrisch,
Telefon und interner
Kommunikationsleitungen (LAN)),
Beschaffung der Infrastruktur
(Mobiliar, Arbeitsplatz-Rechner
und der Telecom-Ausrüstung). Die
PTT zeigt sich sehr flexibel und
ermöglicht uns (trotz
ungünstigen Rahmenbedingungen
für die PTT selber) den Zugang
zu SWISSNET-1 (ISDN).
1. Mai 1990
Eröffnung mit 4 Mitarbeitern.
Nach extrem kurzer Anlaufzeit
ist der 'Satellit Mollis'
produktiv.
Mitte 1990
Ein weiterer Mitarbeiter der
Firma wählt als Arbeitsort
Mollis, weil er damit den langen
Arbeitsweg sparen kann. Damit
zählt der Satellit 5 Mitarbeiter
(welche auch 1993 immer noch in
Mollis arbeiten).
1992
Die ISDN-Verbindung wird ergänzt
um eine Mietleitung von 64 kbit/s.
Dies nicht aus Kostengründen,
sondern weil der Standort Mollis
an der Strecke einer ohnehin zu
mietenden Leitung lag. ISDN wird
nun als Fallback genutzt (bei
Ausfall der Mietleitung).
Ein Mitarbeiter reduziert seine
Arbeitsleistung um 50 % (den
Rest arbeitet er auf dem
Bauernhof, den er von seinem
Vater übernommen hat).
In Lugano wird am 1.September
1992 das dritte ausgelagerte
Entwicklungsbüro unserer Firma
eröffnet (4 Mitarbeiter).
Abschnitt 2:
BESCHREIBUNG DES
SATELLITEN-BÜROS MOLLIS
Lage:
Mollis im Glarner Unterland; 60
km südöstlich vom Hauptsitz von
Alcatel STR in Zürich. Zürich
ist auf der Autobahn in 40
Minuten, per Bahn
(Intercity-Linie) in weniger als
einer Stunde erreichbar.
Mollis liegt in einem
Einzugsgebiet von ca 60.000
Personen und hat im Umkreis von
30 km Radius kaum
gleichgelagerte Betriebe.
Gebäude und
Räumlichkeiten:
-
Großraumbüro mit 116 m2
-
Dackstock mit 110 m2 (genutzt
als Labor, Rechnerraum,
Stauraum)
-
Materiallift
-
Dusche, Toiletten
-
4 Parkplätze,
Fahrrad-Einstellraum
Arbeitsplatzausrüstung (für
jeden der 5 Arbeitsplätze):
-
großzügig dimensioniertes
Büro-Mobiliar
-
Telefon
-
Arbeitsplatz-Rechner
(Workstation)
gemeinsam
genutzte Infrastruktur:
-
Telefon-Kleinzentrale
-
File-Server für Workstations
-
Fax
-
Kopiergerät
-
Modem
-
Geräte für Mittags- und
Zwischenverpflegung
(Kühlschrank, Kaffeemaschine,
Mikrowellengrill)
Telecom-Dienste:
-
Telefon: 4 Amtsleitungen
(davon eine als Fax ('incoming')
-
Swissnet-Anschluß (ISDN). Nur
für Datenverkehr verwendet.
-
Mietleitung für Datenverkehr
nach Zürich (64 kbit/s)
Personal
Grundidee bei der Projektierung
des Satelliten waren ein
'Endausbau' von 2 Teams mit je
4-5 Personen. Man wollte aber
mit einem Team allein starten
(und die Konjunkturlage
'verhinderte' bisher eine
Erweiterung). So arbeiten im
Moment 5 Personen in Mollis:
-
1 erfahrener Projektleiter
(gleichzeitig Leiter der
Außenstelle)
-
3 SW-Ingenieure (HTL- oder
ETH-Ingenieure), davon ab 1992
einer nur noch zu 50%.
-
1 Ingenieur für Customer
Support optische Übertragung
(arbeitet unabhängig vom Rest
des Personals)
Abschnitt 3:
AUSWIRKUNGEN AUF
DIE KOSTEN
Als die Idee 'Satellit Glarner
Unterland' lanciert wurde,
wurden Befürchtungen laut,
Arbeitsplätze der geplanten Art
wären deutlich teurer als die
bestehenden Arbeitsplätze in
Zürich.
Die bisherigen Erfahrungen
zeigen aber, daß diese Ängste
unbegründet waren:
-
Die eigentlichen Kosten für
einen Arbeitsplatz (Mobiliar,
Arbeitsplatz-Rechner, Telefon)
sind unabhängig vom Arbeitsort
gleich teuer.
-
Die Miete für die
Räumlichkeiten sind TIEFER als
in der Agglomeration Zürich.
-
Die Extra-Kosten für die
gemeinsam genutzte
Infrastruktur und den Ausbau
der Räumlichkeiten waren mit
total 46 kFr relativ
bescheiden.
-
Die Telecom-Kosten (Telefon
und Datenleitungen) sind
umgerechnet auf die Anzahl
Mitarbeiter in unserer
Aussenstelle nicht höher als
im Hauptsitz. (Detaillierte
Zahlen nicht lieferbar, weil
die Firma die Kosten kaum
detailliert erfaßt)
-
Die Saläre sind nicht höher
als im Hauptsitz. Wir sind im
Moment in der glücklichen
Lage, Saläre 'wie in Zürich'
zu beziehen, obwohl in unserer
Region das Lohnniveau niederer
ist als in der Agglomeration
Zürich.
-
Einziger Punkt, welcher zu
Extrakosten führt sind die
Spesen für Reisen an den
Hauptsitz, denn sowohl die
Reisekosten, wie auch die
Reisezeit gehen zulasten des
Arbeitgebers. Im Schnitt sind
das etwa 6 Reisen pro Monat
(total für alle 5 Mitarbeiter)
nach Zürich mit Kosten von ca.
35 Fr. für die Bahn und 2
Stunden Arbeitszeit.
Abschnitt 4.
AUSWIRKUNGEN AUF
DIE TECHNISCHE ARBEIT
(Entwicklungstätigkeit)
Einleitung: Was arbeiten wir in
Mollis ?
Das SW-Entwicklungsteam in
Mollis arbeitet als eine von
zwei Gruppen in derSektion NME (Network
Management Entwicklung) an SW
zum Einsatz im Management von
Telecommunication-Networks.
Projekte haben bei uns eine Daür
von 1/2 - 2 Jahre und
beschäftigen bei einem Aufwand
zwischen 2 und 12 Mannjahren 2
bis 10 Mitarbeiter.
Daneben werden Studien
(technisch und konzeptionell) im
Rahmen von weniger als 2
Mannjahren Aufwand durch 1 bis 4
Mitarbeiter durchgeführt.
Im weiteren tragen wir
Wartungsverpflichtungen für 4
selbstentwickelteSW-Produkte.
Auswirkungen des abgesetzten
Arbeitsortes:
Wenn nur das lokale Team
involviert ist, können wir vom
Best-Case sprechen. Beeinflußt
durch die 'Isolation' von
anderen Mitarbeiter entwickelt
das lokale Team eine starke
Identifikation mit dem Produkt,
was sich auf Effizienz und
Qualität der Arbeit positiv
auswirkt. In der Kleingruppe
kann, will und muß jeder jede
Arbeit übernehmen (können). Eine
extreme Spezialisierung ist
nicht gewünscht. Aus unserer
Erfahrung behaupten wir, daß
Produkte 'aus unserer Küche'
besser und schneller realisiert
werden als am Hauptsitz.
Wenn das Satelliten-Team zu
klein ist, um das Gesamtprojekt
alleine durchführen zu können,
kann die Arbeit auf mehrere
Gruppen aufgeteilt werden, wobei
das Team des Satelliten dabei
als eine steuernde oder
gesteuerte Einheit wirken kann.
Wichtig ist, daß alle
Mitarbeiter des Satelliten in
derselben Gruppe arbeiten und
nicht als 'abgesetzte'
Mitglieder einer externen Gruppe
arbeiten.
Die offensichtlichste Auswirkung
dieser Arbeitsform ist, daß mehr
geplant und kontrolliert werden
muß. Da aber mangelnde Planung
und Kontrolle allgemein oft
einer der Hauptgründe des
Scheitern von
Entwicklungsprojekten ist, muß
der 'Zwang' zu Planung und
Kontrolle nicht a priori ein
Negativ-Aspekt sein. Mit den
heutigen Möglichkeiten der
Telekommunikation ist die
Planung und Kontrolle einer
dezentralen Entwicklung
technisch nicht aufwendiger als
diejenige einer zentralen
Entwicklung.
Eher hinderlich ist dafür, daß
die Aufgabenverteilung bei einer
dezentralen Entwicklung oft
nicht nach Wissen oder Potential
der betroffenen Mitarbeiter,
sondern nach deren Arbeitsort
vorgenommen werden muß.
Im weiteren ist das Aufstellen
von klaren (geschriebenen oder
'ungeschriebenen')
Kommunikationsregeln notwendig,
um Informationen schnell genug
fließen zu lassen, welche bei
einer zentralen Entwicklung
'quer über den Tisch' oder
'unter dem Türrahmen zum
Nachbar-Büro' weitergereicht
werden. Resultat davon ist, daß
bedeutend klarer und überlegter
kommuniziert wird (d.h. weniger
spontan im Sinne von 'nicht
selber denken, sondern den
andern fragen'). Vielfach
geschieht dies auch in
schriftlicher Form (E-Mail).
Dieser 'Overhead' läßt sich
nicht in Zahlen messen, unsere
Erfahrung zeigt aber, daß auf
ein ganzes Projekt gerechnet
diese Schwierigkeiten für die
Projektleitung zwar einen
geringen Mehraufwand bewirken,
dieser aber durch bessere
Qualität der geleisteten Arbeit
mehr als wettgemacht wird.
Schwieriger wird die Arbeit in
einer Außenstelle mit kleinem
Personalbestand, wenn dort
Studien durchgeführt werden
sollen, in welchen
Experten-Wissen gefragt ist,
welches lokal nicht vorhanden
ist. Mitarbeit in einer Studie
durch Mitglieder des
Satelliten-Teams bringen für
diese eine stark erhöhte
Reise-Tätigkeit oder
stundenlanges Telefonieren mit
sich, alles Overhead, welcher
bei örtlich zentralisierter
Ausführung nicht auftreten
würde. Ich glaube daher, daß
solche Aufgaben für Mitarbeiter
einer Außenstelle atypisch sein
sollten, weil sie in aller Regel
teurer kommen als im Hauptsitz.
Sehr wohl machbar sind Studien,
wenn das Fachwissen des
Satelliten-Teams genügt. Richtig
angewandte Technik zur
Aktivierung des
Kreativitäts-Potential der
ganzen Gruppe wirkt hier wahre
Wunder: Im 'geschützten' Rahmen
der Kleingruppe trauen sich
Mitarbeiter einer Außenstelle
eher, auch unausgegorene oder
sehr unkonventionelle Ideen in
die Runde zu werfen als in der
'Anonymität' des Hauptsitzes.
Wartungsarbeiten sind bei uns
zum Glück eher die Ausnahme. Sie
verlangen viel Knowhow (oft über
Produktteile, welche man nicht
selber entwickelt hatte).
Schneller Zugriff auf
Dokumentation und
Produktunterlagen (auf
elektronischem Wege) sind hier
ein absolutes Muß. Des kleinen
Aufwandes wegen kann
Wartungsarbeit oft nicht auf
mehrere Mitarbeiter aufgeteilt
werden. Die Gefahr der Isolation
ist daher groß, das
'Einzelkämpfer-Leben' wirkt in
Kleingruppen noch
motivationshemmender als in
größeren Gruppen und die
Effizienz der Arbeitsleistung
sinkt schnell. Um dem
entgegenzuwirken, sind solche
Arbeiten zeitlich genau zu
terminieren, gut zu planen und
allenfalls im 'Job-Rotation'-System
auf verschiedene Personen zu
verteilen.
Ganz allgemein glaube ich -
aufgrund meiner bisherigen
Erfahrungen - daß Mitarbeiter in
Außenstellen wie der unsrigen:
-
effizienter arbeiten (größere
Ruhe und weniger äußere
Störungen)
-
ihr Ziel genauer und schneller
erreichen (weil die Aufgaben
klarer definiert werden
müssen)
-
kreativer sind (resp. ihre
Kreativität besser ausnützen
können).
Abschnitt 5.
SPEZIALITÄTEN
DES SOZIALEN KLIMAS
Zwei wichtige Eigenschaften
prägen das soziale Klima einer
Außenstelle wie der unsrigen:
-
die Anzahl Mitarbeiter ist
beschränkt (bei uns 1 Gruppe
mit 4 Mitarbeitern)
-
die geographische Trennung vom
Mutterhaus.
Da wir nur ein Team sind, ist
der Wille zur konstruktiven
Zusammenarbeit im Team eine
absolute Voraussetzung.
Selbstverständlich war
'Teamfähigkeit' bei der
Personalrekrutierung eines der
wichtigsten Kriterien.
Wichtig ist die Konstanz des
Teams (hier läßt sich keiner so
einfach ersetzen). Obwohl unser
Team so schon klein genug ist,
müssen wir oft aber mit nochmals
reduziertem Bestand arbeiten
(Ferien, Krankheit, Militär,
geschäftliche Abwesenheit (meist
des Chefs) und Teilzeitarbeit).
Von Mitarbeitern in Außenstellen
muß aber auch eine erhöhte
Belastbarkeit verlangt werden
können. Bei zwischenmenschlichen
Problemen gibt es hier absolut
keine Ausweichmöglichkeiten
(weder räumlich noch personell).
Bei günstiger Konstellation kann
sich aber in der Kleingruppe
eine recht intime Atmosphare
entwickeln, die den Zusammenhalt
der Gruppe fördert.
Allerdings erschwert eine solche
bereits recht weit entwickelte
Nähe die Integration von später
neu dazustoßenden Mitarbeitern
(noch keine Erfahrungen).
Sehr motivierend wirken einige
'Nebenerscheinungen' davon, daß
unser Arbeitsort wenn nicht
rechtlich so doch mindestens
gefühlsmäßig 'außerhalb' des
Kontrollbereiches des
Hauptsitzes liegt. Viele Regeln
oder Konventionen können hier
ungestrafter übertreten werden:
Kleidervorschriften gelten bei
uns nicht, die Gestaltung des
persönlichen Arbeitsplatzes ist
jedem selber überlassen,
spontane Verlängerungen der
Mittagspause bei herrlichem
Badewetter sind eher möglich
etc. Nach meiner Erfahrung
führen gerade auch diese kleinen
Freiheiten zu lustvollerem,
damit motivierterem und damit
wiederum zu effizienterem
Arbeiten. Man hat das Gefühl, im
'eigenen Betrieb' zu arbeiten,
was die Bindung zur Arbeit
stärkt.
Allerdings muß klar festgehalten
werden, daß sich die Mitarbeiter
einer Außenstelle weit mehr mit
ihrem Arbeits-ORT als mit ihrem
Arbeit-GEBER identifizieren.
Bisher hat uns das noch keine
Probleme gemacht, da unsere
Aussenstelle ja immer noch
existiert, aber die meisten der
Mitarbeiter unseres Satelliten
würden im Falle einer
Schliessung unseres Satelliten
eher den Arbeitgeber als den
Arbeitsort wechseln.
Für die Mitarbeiter mit
Führungsaufgaben (in diesem
Falle ich selber) ergeben sich
unter Umständen einige spezielle
Schwierigkeiten: Oftmals findet
man sich in der Situation,
keinen direkten Ansprechpartner
mit gleichem Erfahrungsschatz
lokal vorzufinden. So fehlt mir
ein lokaler Partner als 'Chef'
meines Teams und als
Projektleiter. Wenn mir früher
(in Zürich) alles über den Kopf
wuchs, so konnte ich mich mit
einem gleichgestellten Partner
aussprechen. Jetzt muß das bei
den gelegentlichen Besuchen in
Zürich oder übers Telefon machen
und das ersetzt den spontanen
zwischenmenschlichen Kontakt in
keiner Weise.
Die größten Negativ-Aspekte der
Dezentralisierung von
Arbeitsplätzen wie wir sie
erleben, sind die Unmöglichkeit
der firmeninternen
Zufalls-Kontakte und die
eingeschränkten persönlichen
Entwicklungsmöglichkeiten.
Durch Besuch von Kursen usw.
kann sich zwar ein Mitarbeiter
einer Außenstelle fachlich
ebenso auf der Höhe halten, wie
ein Mitarbeiter am Hauptsitz.
Das Mitleben und Mitgestalten
einer Firmenkultur und die
vielen Beziehungen unter den
Mitarbeitern haben aber auch
ihren Wert. Persönliche und
technische Kontakte unter
Mitarbeitern ergeben sich aber
in vielen Fällen spontan und auf
dem Zufallsprinzip (man trifft
sich auf dem Weg zur Kantine
oder ähnlich).
Diese Art des Schaffens von
Kontakt unter Firmenmitarbeitern
ist Mitarbeitern von
Außenstellen verunmöglicht.
Kontakte geschehen bei uns immer
gewollt und mit Absicht und
brauchen eine bewußte Pflege.
In einem Kleinteam ergeben sich
zudem kaum
Karriere-Möglichkeiten (Es kann
nur einer Chef sein). Zum Teil
läßt sich dieses Problem dadurch
entschärfen, indem Mitarbeiter
technische weitergehende
Kompetenzen zugesprochen
erhalten (sog. technische
Karriere). Auch an der
'Führungsarbeit' kann man
Mitarbeiter oft beteiligen (wir
haben auch schon den
'rotierenden' Projektleiter
ausprobiert). Dennoch:
Mitarbeiter mit klaren
Karrierezielen werden diese in
den allermeisten Fällen NICHT in
der Außenstelle realisieren
können, und aus demselben Grund
wird es immer Mitarbeiter geben,
welche nicht vom Hauptsitz in
eine Außenstelle umziehen
wollen.
Abschnitt 6.
ABSCHLUSSBETRACHTUNG
-
Gründe für bisheriges Gelingen
-
Chancen
-
Risiken
-
Maßnahmen
Gründe für
bisheriges Gelingen
Die wichtigsten Gründe für das
praktisch reibungslose
Funktionieren unseres
Satelliten-Büros dürften in
absteigender Reihenfolge die
folgenden sein:
-
die Projektarbeit paßte bisher
perfekt auf unsere Struktur
(wir entwickelten SW in enger
Zusammenarbeit mit unserer
Schwestergruppe in Zürich,
federführend in
Projektleitung, wie aber auch
in den Start- und Endphasen
war unser Satelliten-Team)
-
Team harmoniert (keine
Einzelgänger, alle arbeiten
gerne mit anderen und können
Knowhow teilen; Chef als 'primus
inter pares')
-
Team ist stabil geblieben
(Größe, Struktur)
-
technisches Umfeld macht keine
Probleme
-
noch keine Krisen und Glück.
Welche Chancen
bietet die Auslagerung von
Entwicklungs-Arbeitsplätzen:
-
Verkürzung des Arbeitsweges
(Ökologie, Arbeiten statt
Reisen)
-
Klar höhere Effizienz der
Mitarbeiter
-
Teamerlebnis (aber nur, wenn
das Team gemeinsam am selben
arbeitet)
-
Einfachere Mobilisierung des
Kreativitäts-Potentials der
Mitarbeiter
-
Mitarbeiter werden zu mehr
Eigenverantwortung gezwungen,
arbeiten selbständiger; dies
führt zu reiferen
Mitarbeitern.
Risiken der
Auslagerung von
Entwicklungs-Arbeitsplätzen
-
Gefahr der Isolation, Kontakte
müssen bewußt gepflegt werden
-
Sehr hohes Anforderungsprofil
an Mitarbeiter (Teamfähigkeit,
Belastbarkeit, muß technisch
breiteren Horizont haben). Zur
Betreuung von Mitarbeitern,
welche 'abfallen' fehlt die
Zeit (resp. immer dieselben
Personen wären damit
beschäftigt und würden selber
die Motivation verlieren)
-
Nicht alle
Entwicklungs-Arbeiten sind
auslagerungsñtauglich
(Projekt-Größe, Dauer und
Umfang muß mit
Mitarbeiter-Potential des
Satelliten in Übereinstimmung
sein; breites Experten-Wissen
fehlt vor Ort oft).
-
Ausgelagertes' Klein-Team ist
krisenanfälliger als Team,
welches in größere lokale
Strukturen eingebettet ist, da
ein lokales 'Netz' als
Sicherung fehlt. Gründe für
Krisen können sein: Wechsel im
Team, Karriere- Probleme. Es
ist zu fürchten, daß im
Krisenfall ein Team zerbricht
und damit die Existenz des
ganzen Satellitenbüros
gefährdet. Bei einer Auflösung
der Außenstelle darf nicht
damit gerechnet werden, daß
sich alle Mitarbeiter in die
'Zentrale' versetzen lassen
wollen, da wie erwähnt, die
Bindung an den Arbeitsort
größer ist als die Bindung an
den Arbeitgeber. Der Verlust
an eingearbeiteten,
hochqualifizierten
Mitarbeitern für die Firma
wäre die Folge. Besonders
anfällig sind kleine Teams mit
weniger als 4 Mitarbeitern
-
Karriereplanung ist unklar,
resp. bei heutiger Situation
kann ein Arbeitsplatz in einer
Außenstelle nicht die
Stelle fürs Leben sein!
Vorschläge zu
Maßnahmen zur Dämpfung der
Risiken (bei gleichzeitier
Wahrung der Chancen):
-
Daß Projekte und die Struktur
unserer Sektion (von der unser
Satellit Teil ist) bisher
zusammenpassten, ist meiner
Meinung nach Glück und Zufall.
Aus vorgenannten Gründen kann
nicht jede Arbeit in eine
Außenstelle delegiert werden.
Deshalb müssen ausgelagerte
Arbeitsplätze in Zukunft
geplanter erstellt und aufgebaut
werden. Dazu gehört die
Erstellung einer mindestens
mittelfristigen Perspektive (10
Jahre) für die dort arbeitenden
Mitarbeiter und ihre
Vorgesetzten (lokal und zentral)
betreffend der in der
Außenstelle zu leistenden
Arbeit.
Aufbau und Betrieb einer
Außenstelle für
Entwicklungsarbeiten können nur
dann erfolgreich sein, wenn es
eine Firma fertigbringt, in ihre
mittel- bis langfirstige Planung
den Aspekt 'Außenstelle' und
ihre speziellen Eigenschaften
bewußt einzubeziehen und
mögliche Friktionen betreffend
Projekt-Planung und
Karriere-Planung frühzeitig zu
erkennen und sich damit in die
Lage zu versetzen, agieren
zu können, statt reagieren
zu müssen.
Dabei müssen die Mitarbeiter der
Außenstelle offen und
transparent informiert werden
und wenn sie nicht mitbestimmen
können, so sollen sie doch
wenigsten angehört werden. Meist
können die Mitarbeiter damit
abfinden, daß die Arbeitsstelle
in der Außenstelle nicht auf
Lebenszeit gesichert ist, wenn
man darüber frühzeitig offen und
fair diskutiert.
Sowohl die Firma wie die
betroffenen Arbeitnehmer in der
Außenstelle müssen sich bewußt
werden, daß sich eine
Außenstelle im Laufe der Zeit
'entwickeln' und wandeln muß.
Wandel sollte zur Regel werden.
Eine Möglichkeit wäre, daß dem
Satelliten-Team kontinuierlich
neue Mitarbeiter zugeführt
werden. Die Mitarbeiter im
Satelliten sollten die
Möglichkeit zur
Weiterentwicklung erhalten. Je
nach Größe der Außenstelle kann
ein Aufstieg innerhalb des
Satelliten realisiert werden,
andernfalls im Hauptsitz.
-
Die Kontakte zwischen
Außenstelle und Mutterhaus
sollten von beiden
Seiten aktiv gepflegt werden.
Es müßte zur Firmenkultur
werden, Zeit für Kontakte
aufbringen zu dürfen (auch
wenn sich diese nicht gleich
in der nächsten Stunde
rentieren).
-
Klein-Teams sollten gezielt
auf ihre spezielle Situation
vorbereitet werden. Dazu
gehören meiner Meinung nach
einfache Schulung zur
Bewältigung von Krisen
zwischenmenschlicher Art.
Leiter von Klein-Teams müßten
neben einer präventiven
Ausbildung im Krisenfall auf
Unterstützung durch geschultes
Personal zur Lösungsfindung
ihres Problems zählen dürfen.
Diese Strukturen müssen nicht
in einen aufgeblähten Apparat
für Krisenmanagement führen.
Es würde genügen, wenn
'jemand' nur schon Zeit für
die Begleitung betroffener
Personen in schwierigeren
Zeiten hätte. Teams mit
mindestens 6 Mitarbeitern sind
im übrigen viel stabiler und
weniger krisenanfällig, weil
das soziale Netz größer ist
(auch bei Abwesenheit eines
Teils der Mitarbeiter wegen
Urlaub, Krankheit etc sind
immer noch mehrere Mitarbeiter
permanent anwesend).
Ich komme damit
zum Schluß meines Referates:
Ich bin überzeugt, daß
ausgelagerte Arbeitsplätze (auch
für die Entwicklung, wie meine
Fallstudie zeigt) erfolgreich
realisierbar sind und ich glaube
auch daran, daß solche
ausgelagerten Arbeitsplätze in
Zukunft auch immer öfters
realisiert werden.
Ich warne aber vor einer
Euphorie, einfach weil die
Auslagerung von Arbeitsplätzen
technisch machbar ist und weil
eine solche Maßnahme sogar
wirtschaftlich rentabel sein
kann.
Die Risiken
liegen auf der sozialen Ebene:
Um die Entwicklung der
Dezentralisierung zu einem
Erfolg werden zu lassen, muß es
uns gelingen, das Bewußtsein
dafür zu wecken, daß gerade bei
der Dezentralisierung von
Arbeitsplätzen der Mensch und
nicht die von ihm erbrachte
Leistung im Brennpunkt unserer
Maßnahmen stehen muß.
Wenn wir das schaffen, dann
werden wir in der Lage sein,
vermehrt Arbeitsplätze zu
schaffen, welche bei Wahrung der
Wirtschaftlichkeit dem Menschen
angepaßt sind statt umgekehrt.
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