Global Village (die Konferenzen)
Global Village 1995
Global Village 1996
Global Village 1997
Global Village 1999

1999 waren wir beteiligt an der NGO Internet Fiesta und - in neuer Zusammensetzung - an "Global Village 99" Das geplante 4. internationale Global Village Symposium mußte leider abgesagt und auf unbestimmte Zeit vertagt werden.

 
Architektur und Stadtplanung
im Zeitalter der Telekommunikation
Technische Universität Wien
Juni 1993
   
FALLSTUDIE "AUSLAGERUNG VON ENTWICKLUNGSBÜROS BEI ALCATEL STR (SCHWEIZ) "

Disclaimer:

Inhalt und Aussagen dieses Vortrages widerspiegeln die persönliche Meinung des Verfassers und brauchen sich nicht mit der Meinung seines Arbeitgebers zu decken.

Vortrags-Struktur:

  • Wie es zu unserer Aussenstelle kam (Geschichte und Gründe)
  • Beschreibung des Satelliten-Büros Mollis
  • Auswirkungen auf die Kosten
  • Auswirkungen auf die technische Arbeit (Entwicklungs-Tätigkeit)
  • Spezialitäten des sozialen Klimas
  • Abschlußbetrachtung:
    - Gründe für bisheriges Gelingen
    - Chancen
    - Risiken
    - Maßnahmen

Abschnitt 1:

WIE ES ZU UNSERER AUSSENSTELLE KAM

(Geschichte und Gründe)

1986

Eröffnung des ersten Satellitenbüros unserer Firma in Aadorf (TG, zwischen Winterthur und Frauenfeld), 5 Mitarbeiter.

Sommer 1988

Nach 4 Jahren Pendlerleben ('Tagwache' um 05:00, damit ich um 18:00 wieder daheim bei der Familie war), veranlassen mich persönliche Bedürfnisse zur Lancierung der Startidee 'Satellit Glarner Unterland'. Für die Firma kommt der Zeitpunkt günstig, da zu dieser Zeit in unserer Sektion Mitarbeiter fehlten, und wir uns Chancen ausrechneten, außerhalb der Agglomeration Zürich eher neue Mitarbeiter zu finden. Als 'conditio sine qua non' brauchte die Firma aber einen motivierten Mitarbeiter, welcher schon längere Zeit in der Firma arbeitete und damit die Firmenkultur kannte, der diese Außenstelle aufbauen und leiten konnte. Diese Anforderungen erfüllte ich und so fiel meine Idee auf fruchtbaren Boden.

Herbst 1988

Nach einer Grobkalkulation der Kosten wird durch die Geschäftsleitung ein positiver Grundsatzentscheid zum 'Satellit Glarner Unterland' gefällt.

1989

Personal-Rekrutierung und Lokalitäten-Suche (unter starker Mitwirkung meinerseits, um mein Wissen über die lokalen Gegebenheiten am geplanten Standort auszunutzen) werden erfolgreich abgeschlossen.Als Eröffnungstermin des neuen Satelliten-Büros wird der Spätfrühling 1990 gewählt, weil zu diesem Zeitpunkt in der betroffenen Sektion der Firma keine großen Projekte in kritischen Phasen liegen.

Frühling 1990

Die Miete für die Lokalitäten beginnt am 1.2.1990. Es folgen 'Umbau' der Räumlichkeiten (Räume waren vorher als Fabrikationsräume für Dekorationsartikel genutzt; notwendig war Neustreichen der Räume, Teppich, Neuinstallation von Beleuchtung, Elektrisch, Telefon und interner Kommunikationsleitungen (LAN)), Beschaffung der Infrastruktur (Mobiliar, Arbeitsplatz-Rechner und der Telecom-Ausrüstung). Die PTT zeigt sich sehr flexibel und ermöglicht uns (trotz ungünstigen Rahmenbedingungen für die PTT selber) den Zugang zu SWISSNET-1 (ISDN).

1. Mai 1990

Eröffnung mit 4 Mitarbeitern. Nach extrem kurzer Anlaufzeit ist der 'Satellit Mollis' produktiv.

Mitte 1990

Ein weiterer Mitarbeiter der Firma wählt als Arbeitsort Mollis, weil er damit den langen Arbeitsweg sparen kann. Damit zählt der Satellit 5 Mitarbeiter (welche auch 1993 immer noch in Mollis arbeiten).

1992

Die ISDN-Verbindung wird ergänzt um eine Mietleitung von 64 kbit/s. Dies nicht aus Kostengründen, sondern weil der Standort Mollis an der Strecke einer ohnehin zu mietenden Leitung lag. ISDN wird nun als Fallback genutzt (bei Ausfall der Mietleitung).

Ein Mitarbeiter reduziert seine Arbeitsleistung um 50 % (den Rest arbeitet er auf dem Bauernhof, den er von seinem Vater übernommen hat).

In Lugano wird am 1.September 1992 das dritte ausgelagerte Entwicklungsbüro unserer Firma eröffnet (4 Mitarbeiter).

Abschnitt 2:

BESCHREIBUNG DES SATELLITEN-BÜROS MOLLIS

Lage:

Mollis im Glarner Unterland; 60 km südöstlich vom Hauptsitz von Alcatel STR in Zürich. Zürich ist auf der Autobahn in 40 Minuten, per Bahn (Intercity-Linie) in weniger als einer Stunde erreichbar.

Mollis liegt in einem Einzugsgebiet von ca 60.000 Personen und hat im Umkreis von 30 km Radius kaum gleichgelagerte Betriebe.

Gebäude und Räumlichkeiten:

  • Großraumbüro mit 116 m2
  • Dackstock mit 110 m2 (genutzt als Labor, Rechnerraum, Stauraum)
  • Materiallift
  • Dusche, Toiletten
  • 4 Parkplätze, Fahrrad-Einstellraum

Arbeitsplatzausrüstung (für jeden der 5 Arbeitsplätze):

  • großzügig dimensioniertes Büro-Mobiliar
  • Telefon
  • Arbeitsplatz-Rechner (Workstation)

gemeinsam genutzte Infrastruktur:

  • Telefon-Kleinzentrale
  • File-Server für Workstations
  • Fax
  • Kopiergerät
  • Modem
  • Geräte für Mittags- und Zwischenverpflegung (Kühlschrank, Kaffeemaschine, Mikrowellengrill)

Telecom-Dienste:

  • Telefon: 4 Amtsleitungen (davon eine als Fax ('incoming')
  • Swissnet-Anschluß (ISDN). Nur für Datenverkehr verwendet.
  • Mietleitung für Datenverkehr nach Zürich (64 kbit/s)

Personal

Grundidee bei der Projektierung des Satelliten waren ein 'Endausbau' von 2 Teams mit je 4-5 Personen. Man wollte aber mit einem Team allein starten (und die Konjunkturlage 'verhinderte' bisher eine Erweiterung). So arbeiten im Moment 5 Personen in Mollis:

  • 1 erfahrener Projektleiter (gleichzeitig Leiter der Außenstelle)
  • 3 SW-Ingenieure (HTL- oder ETH-Ingenieure), davon ab 1992 einer nur noch zu 50%.
  • 1 Ingenieur für Customer Support optische Übertragung (arbeitet unabhängig vom Rest des Personals)

Abschnitt 3:

AUSWIRKUNGEN AUF DIE KOSTEN

Als die Idee 'Satellit Glarner Unterland' lanciert wurde, wurden Befürchtungen laut, Arbeitsplätze der geplanten Art wären deutlich teurer als die bestehenden Arbeitsplätze in Zürich.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen aber, daß diese Ängste unbegründet waren:

  • Die eigentlichen Kosten für einen Arbeitsplatz (Mobiliar, Arbeitsplatz-Rechner, Telefon) sind unabhängig vom Arbeitsort gleich teuer.
  • Die Miete für die Räumlichkeiten sind TIEFER als in der Agglomeration Zürich.
  • Die Extra-Kosten für die gemeinsam genutzte Infrastruktur und den Ausbau der Räumlichkeiten waren mit total 46 kFr relativ bescheiden.
  • Die Telecom-Kosten (Telefon und Datenleitungen) sind umgerechnet auf die Anzahl Mitarbeiter in unserer Aussenstelle nicht höher als im Hauptsitz. (Detaillierte Zahlen nicht lieferbar, weil die Firma die Kosten kaum detailliert erfaßt)
  • Die Saläre sind nicht höher als im Hauptsitz. Wir sind im Moment in der glücklichen Lage, Saläre 'wie in Zürich' zu beziehen, obwohl in unserer Region das Lohnniveau niederer ist als in der Agglomeration Zürich.
  • Einziger Punkt, welcher zu Extrakosten führt sind die Spesen für Reisen an den Hauptsitz, denn sowohl die Reisekosten, wie auch die Reisezeit gehen zulasten des Arbeitgebers. Im Schnitt sind das etwa 6 Reisen pro Monat (total für alle 5 Mitarbeiter) nach Zürich mit Kosten von ca. 35 Fr. für die Bahn und 2 Stunden Arbeitszeit.

Abschnitt 4.

AUSWIRKUNGEN AUF DIE TECHNISCHE ARBEIT

(Entwicklungstätigkeit)

Einleitung: Was arbeiten wir in Mollis ?

Das SW-Entwicklungsteam in Mollis arbeitet als eine von zwei Gruppen in derSektion NME (Network Management Entwicklung) an SW zum Einsatz im Management von Telecommunication-Networks. Projekte haben bei uns eine Daür von 1/2 - 2 Jahre und beschäftigen bei einem Aufwand zwischen 2 und 12 Mannjahren 2 bis 10 Mitarbeiter.

Daneben werden Studien (technisch und konzeptionell) im Rahmen von weniger als 2 Mannjahren Aufwand durch 1 bis 4 Mitarbeiter durchgeführt.

Im weiteren tragen wir Wartungsverpflichtungen für 4 selbstentwickelteSW-Produkte.

Auswirkungen des abgesetzten Arbeitsortes:

Wenn nur das lokale Team involviert ist, können wir vom Best-Case sprechen. Beeinflußt durch die 'Isolation' von anderen Mitarbeiter entwickelt das lokale Team eine starke Identifikation mit dem Produkt, was sich auf Effizienz und Qualität der Arbeit positiv auswirkt. In der Kleingruppe kann, will und muß jeder jede Arbeit übernehmen (können). Eine extreme Spezialisierung ist nicht gewünscht. Aus unserer Erfahrung behaupten wir, daß Produkte 'aus unserer Küche' besser und schneller realisiert werden als am Hauptsitz.

Wenn das Satelliten-Team zu klein ist, um das Gesamtprojekt alleine durchführen zu können, kann die Arbeit auf mehrere Gruppen aufgeteilt werden, wobei das Team des Satelliten dabei als eine steuernde oder gesteuerte Einheit wirken kann. Wichtig ist, daß alle Mitarbeiter des Satelliten in derselben Gruppe arbeiten und nicht als 'abgesetzte' Mitglieder einer externen Gruppe arbeiten.

Die offensichtlichste Auswirkung dieser Arbeitsform ist, daß mehr geplant und kontrolliert werden muß. Da aber mangelnde Planung und Kontrolle allgemein oft einer der Hauptgründe des Scheitern von Entwicklungsprojekten ist, muß der 'Zwang' zu Planung und Kontrolle nicht a priori ein Negativ-Aspekt sein. Mit den heutigen Möglichkeiten der Telekommunikation ist die Planung und Kontrolle einer dezentralen Entwicklung technisch nicht aufwendiger als diejenige einer zentralen Entwicklung.

Eher hinderlich ist dafür, daß die Aufgabenverteilung bei einer dezentralen Entwicklung oft nicht nach Wissen oder Potential der betroffenen Mitarbeiter, sondern nach deren Arbeitsort vorgenommen werden muß.

Im weiteren ist das Aufstellen von klaren (geschriebenen oder 'ungeschriebenen') Kommunikationsregeln notwendig, um Informationen schnell genug fließen zu lassen, welche bei einer zentralen Entwicklung 'quer über den Tisch' oder 'unter dem Türrahmen zum Nachbar-Büro' weitergereicht werden. Resultat davon ist, daß bedeutend klarer und überlegter kommuniziert wird (d.h. weniger spontan im Sinne von 'nicht selber denken, sondern den andern fragen'). Vielfach geschieht dies auch in schriftlicher Form (E-Mail).

Dieser 'Overhead' läßt sich nicht in Zahlen messen, unsere Erfahrung zeigt aber, daß auf ein ganzes Projekt gerechnet diese Schwierigkeiten für die Projektleitung zwar einen geringen Mehraufwand bewirken, dieser aber durch bessere Qualität der geleisteten Arbeit mehr als wettgemacht wird.

Schwieriger wird die Arbeit in einer Außenstelle mit kleinem Personalbestand, wenn dort Studien durchgeführt werden sollen, in welchen Experten-Wissen gefragt ist, welches lokal nicht vorhanden ist. Mitarbeit in einer Studie durch Mitglieder des Satelliten-Teams bringen für diese eine stark erhöhte Reise-Tätigkeit oder stundenlanges Telefonieren mit sich, alles Overhead, welcher bei örtlich zentralisierter Ausführung nicht auftreten würde. Ich glaube daher, daß solche Aufgaben für Mitarbeiter einer Außenstelle atypisch sein sollten, weil sie in aller Regel teurer kommen als im Hauptsitz.

Sehr wohl machbar sind Studien, wenn das Fachwissen des Satelliten-Teams genügt. Richtig angewandte Technik zur Aktivierung des Kreativitäts-Potential der ganzen Gruppe wirkt hier wahre Wunder: Im 'geschützten' Rahmen der Kleingruppe trauen sich Mitarbeiter einer Außenstelle eher, auch unausgegorene oder sehr unkonventionelle Ideen in die Runde zu werfen als in der 'Anonymität' des Hauptsitzes.

Wartungsarbeiten sind bei uns zum Glück eher die Ausnahme. Sie verlangen viel Knowhow (oft über Produktteile, welche man nicht selber entwickelt hatte). Schneller Zugriff auf Dokumentation und Produktunterlagen (auf elektronischem Wege) sind hier ein absolutes Muß. Des kleinen Aufwandes wegen kann Wartungsarbeit oft nicht auf mehrere Mitarbeiter aufgeteilt werden. Die Gefahr der Isolation ist daher groß, das 'Einzelkämpfer-Leben' wirkt in Kleingruppen noch motivationshemmender als in größeren Gruppen und die Effizienz der Arbeitsleistung sinkt schnell. Um dem entgegenzuwirken, sind solche Arbeiten zeitlich genau zu terminieren, gut zu planen und allenfalls im 'Job-Rotation'-System auf verschiedene Personen zu verteilen.

Ganz allgemein glaube ich - aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen - daß Mitarbeiter in Außenstellen wie der unsrigen:

  • effizienter arbeiten (größere Ruhe und weniger äußere Störungen)
  • ihr Ziel genauer und schneller erreichen (weil die Aufgaben klarer definiert werden müssen)
  • kreativer sind (resp. ihre Kreativität besser ausnützen können).

Abschnitt 5.

SPEZIALITÄTEN DES SOZIALEN KLIMAS

Zwei wichtige Eigenschaften prägen das soziale Klima einer Außenstelle wie der unsrigen:

  • die Anzahl Mitarbeiter ist beschränkt (bei uns 1 Gruppe mit 4 Mitarbeitern)
  • die geographische Trennung vom Mutterhaus.

Da wir nur ein Team sind, ist der Wille zur konstruktiven Zusammenarbeit im Team eine absolute Voraussetzung. Selbstverständlich war 'Teamfähigkeit' bei der Personalrekrutierung eines der wichtigsten Kriterien.

Wichtig ist die Konstanz des Teams (hier läßt sich keiner so einfach ersetzen). Obwohl unser Team so schon klein genug ist, müssen wir oft aber mit nochmals reduziertem Bestand arbeiten (Ferien, Krankheit, Militär, geschäftliche Abwesenheit (meist des Chefs) und Teilzeitarbeit).

Von Mitarbeitern in Außenstellen muß aber auch eine erhöhte Belastbarkeit verlangt werden können. Bei zwischenmenschlichen Problemen gibt es hier absolut keine Ausweichmöglichkeiten (weder räumlich noch personell).

Bei günstiger Konstellation kann sich aber in der Kleingruppe eine recht intime Atmosphare entwickeln, die den Zusammenhalt der Gruppe fördert.

Allerdings erschwert eine solche bereits recht weit entwickelte Nähe die Integration von später neu dazustoßenden Mitarbeitern (noch keine Erfahrungen).

Sehr motivierend wirken einige 'Nebenerscheinungen' davon, daß unser Arbeitsort wenn nicht rechtlich so doch mindestens gefühlsmäßig 'außerhalb' des Kontrollbereiches des Hauptsitzes liegt. Viele Regeln oder Konventionen können hier ungestrafter übertreten werden: Kleidervorschriften gelten bei uns nicht, die Gestaltung des persönlichen Arbeitsplatzes ist jedem selber überlassen, spontane Verlängerungen der Mittagspause bei herrlichem Badewetter sind eher möglich etc. Nach meiner Erfahrung führen gerade auch diese kleinen Freiheiten zu lustvollerem, damit motivierterem und damit wiederum zu effizienterem Arbeiten. Man hat das Gefühl, im 'eigenen Betrieb' zu arbeiten, was die Bindung zur Arbeit stärkt.

Allerdings muß klar festgehalten werden, daß sich die Mitarbeiter einer Außenstelle weit mehr mit ihrem Arbeits-ORT als mit ihrem Arbeit-GEBER identifizieren. Bisher hat uns das noch keine Probleme gemacht, da unsere Aussenstelle ja immer noch existiert, aber die meisten der Mitarbeiter unseres Satelliten würden im Falle einer Schliessung unseres Satelliten eher den Arbeitgeber als den Arbeitsort wechseln.

Für die Mitarbeiter mit Führungsaufgaben (in diesem Falle ich selber) ergeben sich unter Umständen einige spezielle Schwierigkeiten: Oftmals findet man sich in der Situation, keinen direkten Ansprechpartner mit gleichem Erfahrungsschatz lokal vorzufinden. So fehlt mir ein lokaler Partner als 'Chef' meines Teams und als Projektleiter. Wenn mir früher (in Zürich) alles über den Kopf wuchs, so konnte ich mich mit einem gleichgestellten Partner aussprechen. Jetzt muß das bei den gelegentlichen Besuchen in Zürich oder übers Telefon machen und das ersetzt den spontanen zwischenmenschlichen Kontakt in keiner Weise.

Die größten Negativ-Aspekte der Dezentralisierung von Arbeitsplätzen wie wir sie erleben, sind die Unmöglichkeit der firmeninternen Zufalls-Kontakte und die eingeschränkten persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten.

Durch Besuch von Kursen usw. kann sich zwar ein Mitarbeiter einer Außenstelle fachlich ebenso auf der Höhe halten, wie ein Mitarbeiter am Hauptsitz.

Das Mitleben und Mitgestalten einer Firmenkultur und die vielen Beziehungen unter den Mitarbeitern haben aber auch ihren Wert. Persönliche und technische Kontakte unter Mitarbeitern ergeben sich aber in vielen Fällen spontan und auf dem Zufallsprinzip (man trifft sich auf dem Weg zur Kantine oder ähnlich).

Diese Art des Schaffens von Kontakt unter Firmenmitarbeitern ist Mitarbeitern von Außenstellen verunmöglicht. Kontakte geschehen bei uns immer gewollt und mit Absicht und brauchen eine bewußte Pflege.

In einem Kleinteam ergeben sich zudem kaum Karriere-Möglichkeiten (Es kann nur einer Chef sein). Zum Teil läßt sich dieses Problem dadurch entschärfen, indem Mitarbeiter technische weitergehende Kompetenzen zugesprochen erhalten (sog. technische Karriere). Auch an der 'Führungsarbeit' kann man Mitarbeiter oft beteiligen (wir haben auch schon den 'rotierenden' Projektleiter ausprobiert). Dennoch: Mitarbeiter mit klaren Karrierezielen werden diese in den allermeisten Fällen NICHT in der Außenstelle realisieren können, und aus demselben Grund wird es immer Mitarbeiter geben, welche nicht vom Hauptsitz in eine Außenstelle umziehen wollen.

Abschnitt 6.

ABSCHLUSSBETRACHTUNG

  • Gründe für bisheriges Gelingen
  • Chancen
  • Risiken
  • Maßnahmen

Gründe für bisheriges Gelingen

Die wichtigsten Gründe für das praktisch reibungslose Funktionieren unseres Satelliten-Büros dürften in absteigender Reihenfolge die folgenden sein:

  • die Projektarbeit paßte bisher perfekt auf unsere Struktur (wir entwickelten SW in enger Zusammenarbeit mit unserer Schwestergruppe in Zürich, federführend in Projektleitung, wie aber auch in den Start- und Endphasen war unser Satelliten-Team)
  • Team harmoniert (keine Einzelgänger, alle arbeiten gerne mit anderen und können Knowhow teilen; Chef als 'primus inter pares')
  • Team ist stabil geblieben (Größe, Struktur)
  • technisches Umfeld macht keine Probleme
  • noch keine Krisen und Glück.

Welche Chancen bietet die Auslagerung von Entwicklungs-Arbeitsplätzen:

  • Verkürzung des Arbeitsweges (Ökologie, Arbeiten statt Reisen)
  • Klar höhere Effizienz der Mitarbeiter
  • Teamerlebnis (aber nur, wenn das Team gemeinsam am selben arbeitet)
  • Einfachere Mobilisierung des Kreativitäts-Potentials der Mitarbeiter
  • Mitarbeiter werden zu mehr Eigenverantwortung gezwungen, arbeiten selbständiger; dies führt zu reiferen Mitarbeitern.

Risiken der Auslagerung von Entwicklungs-Arbeitsplätzen

  • Gefahr der Isolation, Kontakte müssen bewußt gepflegt werden
  • Sehr hohes Anforderungsprofil an Mitarbeiter (Teamfähigkeit, Belastbarkeit, muß technisch breiteren Horizont haben). Zur Betreuung von Mitarbeitern, welche 'abfallen' fehlt die Zeit (resp. immer dieselben Personen wären damit beschäftigt und würden selber die Motivation verlieren)
  • Nicht alle Entwicklungs-Arbeiten sind auslagerungsñtauglich (Projekt-Größe, Dauer und Umfang muß mit Mitarbeiter-Potential des Satelliten in Übereinstimmung sein; breites Experten-Wissen fehlt vor Ort oft).
  • Ausgelagertes' Klein-Team ist krisenanfälliger als Team, welches in größere lokale Strukturen eingebettet ist, da ein lokales 'Netz' als Sicherung fehlt. Gründe für Krisen können sein: Wechsel im Team, Karriere- Probleme. Es ist zu fürchten, daß im Krisenfall ein Team zerbricht und damit die Existenz des ganzen Satellitenbüros gefährdet. Bei einer Auflösung der Außenstelle darf nicht damit gerechnet werden, daß sich alle Mitarbeiter in die 'Zentrale' versetzen lassen wollen, da wie erwähnt, die Bindung an den Arbeitsort größer ist als die Bindung an den Arbeitgeber. Der Verlust an eingearbeiteten, hochqualifizierten Mitarbeitern für die Firma wäre die Folge. Besonders anfällig sind kleine Teams mit weniger als 4 Mitarbeitern
  • Karriereplanung ist unklar, resp. bei heutiger Situation kann ein Arbeitsplatz in einer Außenstelle nicht die Stelle fürs Leben sein!

Vorschläge zu Maßnahmen zur Dämpfung der Risiken (bei gleichzeitier Wahrung der Chancen):

  • Daß Projekte und die Struktur unserer Sektion (von der unser Satellit Teil ist) bisher zusammenpassten, ist meiner Meinung nach Glück und Zufall.

Aus vorgenannten Gründen kann nicht jede Arbeit in eine Außenstelle delegiert werden. Deshalb müssen ausgelagerte Arbeitsplätze in Zukunft geplanter erstellt und aufgebaut werden. Dazu gehört die Erstellung einer mindestens mittelfristigen Perspektive (10 Jahre) für die dort arbeitenden Mitarbeiter und ihre Vorgesetzten (lokal und zentral) betreffend der in der Außenstelle zu leistenden Arbeit.

Aufbau und Betrieb einer Außenstelle für Entwicklungsarbeiten können nur dann erfolgreich sein, wenn es eine Firma fertigbringt, in ihre mittel- bis langfirstige Planung den Aspekt 'Außenstelle' und ihre speziellen Eigenschaften bewußt einzubeziehen und mögliche Friktionen betreffend Projekt-Planung und Karriere-Planung frühzeitig zu erkennen und sich damit in die Lage zu versetzen, agieren zu können, statt reagieren zu müssen.

Dabei müssen die Mitarbeiter der Außenstelle offen und transparent informiert werden und wenn sie nicht mitbestimmen können, so sollen sie doch wenigsten angehört werden. Meist können die Mitarbeiter damit abfinden, daß die Arbeitsstelle in der Außenstelle nicht auf Lebenszeit gesichert ist, wenn man darüber frühzeitig offen und fair diskutiert.

Sowohl die Firma wie die betroffenen Arbeitnehmer in der Außenstelle müssen sich bewußt werden, daß sich eine Außenstelle im Laufe der Zeit 'entwickeln' und wandeln muß. Wandel sollte zur Regel werden. Eine Möglichkeit wäre, daß dem Satelliten-Team kontinuierlich neue Mitarbeiter zugeführt werden. Die Mitarbeiter im Satelliten sollten die Möglichkeit zur Weiterentwicklung erhalten. Je nach Größe der Außenstelle kann ein Aufstieg innerhalb des Satelliten realisiert werden, andernfalls im Hauptsitz.

  • Die Kontakte zwischen Außenstelle und Mutterhaus sollten von beiden Seiten aktiv gepflegt werden. Es müßte zur Firmenkultur werden, Zeit für Kontakte aufbringen zu dürfen (auch wenn sich diese nicht gleich in der nächsten Stunde rentieren).
  • Klein-Teams sollten gezielt auf ihre spezielle Situation vorbereitet werden. Dazu gehören meiner Meinung nach einfache Schulung zur Bewältigung von Krisen zwischenmenschlicher Art. Leiter von Klein-Teams müßten neben einer präventiven Ausbildung im Krisenfall auf Unterstützung durch geschultes Personal zur Lösungsfindung ihres Problems zählen dürfen. Diese Strukturen müssen nicht in einen aufgeblähten Apparat für Krisenmanagement führen. Es würde genügen, wenn 'jemand' nur schon Zeit für die Begleitung betroffener Personen in schwierigeren Zeiten hätte. Teams mit mindestens 6 Mitarbeitern sind im übrigen viel stabiler und weniger krisenanfällig, weil das soziale Netz größer ist (auch bei Abwesenheit eines Teils der Mitarbeiter wegen Urlaub, Krankheit etc sind immer noch mehrere Mitarbeiter permanent anwesend).

Ich komme damit zum Schluß meines Referates:

Ich bin überzeugt, daß ausgelagerte Arbeitsplätze (auch für die Entwicklung, wie meine Fallstudie zeigt) erfolgreich realisierbar sind und ich glaube auch daran, daß solche ausgelagerten Arbeitsplätze in Zukunft auch immer öfters realisiert werden.

Ich warne aber vor einer Euphorie, einfach weil die Auslagerung von Arbeitsplätzen technisch machbar ist und weil eine solche Maßnahme sogar wirtschaftlich rentabel sein kann.

Die Risiken liegen auf der sozialen Ebene:

Um die Entwicklung der Dezentralisierung zu einem Erfolg werden zu lassen, muß es uns gelingen, das Bewußtsein dafür zu wecken, daß gerade bei der Dezentralisierung von Arbeitsplätzen der Mensch und nicht die von ihm erbrachte Leistung im Brennpunkt unserer Maßnahmen stehen muß.

Wenn wir das schaffen, dann werden wir in der Lage sein, vermehrt Arbeitsplätze zu schaffen, welche bei Wahrung der Wirtschaftlichkeit dem Menschen angepaßt sind statt umgekehrt.

 

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