Global Village (die Konferenzen)
Global Village 1995
Global Village 1996
Global Village 1997
Global Village 1999

1999 waren wir beteiligt an der NGO Internet Fiesta und - in neuer Zusammensetzung - an "Global Village 99" Das geplante 4. internationale Global Village Symposium mußte leider abgesagt und auf unbestimmte Zeit vertagt werden.

 
Architektur und Stadtplanung
im Zeitalter der Telekommunikation
Technische Universität Wien
Juni 1993
   
TELEDIENSTE FÜR DEN MASSENMARKT - LEBENSGESTALTUNG IM ELEKTRONISCHEN RAUM

Die Lebensgestaltung oder, je nach Sichtweise, die tägliche Bewältigung des Lebens erfolgt zunehmend mit Hilfe von Telediensten. Entsprechende Angebote existieren bereits für sämtliche Bereiche. Im folgenden werden Trends, Strategien und Optionen der Entwicklung von Telediensten skizziert. Im Zentrum der Analyse stehen jene Dienstkategorien, die auch oder spezifisch von Privathaushalten genutzt werden, also Teledienste die für den Massenmarkt bestimmt sind. Die wirtschaftlichen und politischen Interessen an der besseren Einbindung der Privathaushalte im elektronischen Markt sind daher sehr hoch.

1. DIE TELEDIENSTPALETTE

Beginnen wir mit einer Bestandsaufnahme, einem Auszug aus der Palette angebotener Teledienste. Diese reicht vom Einkaufen über Bankgeschäfte bis hin zu Erotik und Sex. Gerade mit Erotik und Sex via Telekommunikation wird der internationale Markt zur Zeit überschwemmt. Weitere Anwendungskategorien umfassen beispielsweise Beratungs-, Auskunfts-, Unterhaltungs- und Bildungsangebote (siehe Übersicht 1). Bei der Palette möglicher Dienste sind der Phantasie kaum noch Grenzen gesetzt. Aufgrund des weiten Anwendungspotentials und des riesigen Marktes ist es nicht verwunderlich, daß diese Dienste auch innerhalb des Telekommunikationssektors, gemeinsam mit Mobilkommunikation, das rascheste Wachstum (20-30% jährlich) verzeichnen.

Übersicht 1: Tätigkeiten bzw. Dienste, die via Telekommunikation abwickelbar sind (Auszug):

  • Einkaufen (Auswahl, Bestellung, Bezahlung)
  • Bankgeschäfte (Kontoabfragen, Transaktionen)
  • Konsulting (rechtliche, medizinische, astrologische Beratung)
  • Unterhaltung (Spiele, Witze, Musik, Gespräche)
  • Auskunft (Wetter, Veranstaltungen, Zugpläne, Börsenkurse)
  • Bildung (Fernunterricht, Schulung)
  • Kontakte (Partnervermittlung, Neigungsgruppen)
  • Erotik (Telefonsex, Bilder, interaktive Spiele)

2. TELEDIENSTE AUS ÖKONOMISCH-ORGANISATORISCHER SICHT

Aus ökonomisch-organisatorischer Sicht schaffen Teledienste Koordinationsmechanismen für den Austausch von Waren und Dienstleistungen. Hierbei kann unterschieden werden, ob Teledienste elektronische Hierarchien oder elektronische Märkte schaffen. (siehe Übersicht 2).

Ist etwa ein einzelner Autoproduzent mit seinen Zulieferfirmen mittels eines Teledienstes verbunden, so ist dies ein Beispiel für eine elektronische Hierarchie. Diese ist u.a. dadurch gekennzeichnet, daß die Kontrolle des Waren- bzw. Dienstleistungsflusses dem Management der höheren Hierarchieebene obliegt. Das Ziel derartiger Teledienste (z.B. von EDI - Electronic Data Interchange) ist die engere Koordination der Firmen, etwa die automatische Weiterverarbeitung von Daten mit dem organisatorischen Ziel einer Just-In-Time (JIT) Produktion. Eine elektronische Hierarchie entsteht beispielsweise auch dann, wenn eine einzelne Fluggesellschaft (wie in den 80er Jahren Delta in den USA) Reisebüros einen Tele-Buchungsdienst ausschließlich für ihre Flüge anbietet, oder, wie New Yorks größtes Warenhaus Macy es plant, einen eigenen Einkaufskanal via KabelTV einrichtet.

Ein elektronischer Markt ist hingegen dadurch gekennzeichnet, daß mehrere Anbieter und Kunden mittels eines Telekommunikationsdienstes verbunden sind. Während elektronische Hierarchien oft über private Netze angeboten werden, so sind es bei elektronischen Märkten meist öffentliche Netze, in der Regel die Telefonnetze.

Am Weg von elektronischen Hierarchien zu elektronischen Märkten kann es zu Zwischenstadien kommen, zu sogenannten tendenziösen elektronischen Märkten ("biased markets"). Ein Beispiel dafür ist das Flugreservierungssystem von American Airlines, das zwar Flüge von verschiedenen Fluggesellschaften anbietet, die eigenen Angebote jedoch immer an oberster Stelle reiht.

Mit der Einführung von elektronischen Hierarchien und Märkten werden unterschiedliche Interessen verfolgt. Aus der Sicht des Kunden sind elektronische Märkte von Vorteil in denen möglichst viele Anbieter vertreten sind; einzelne Anbieter sind wiederum an elektronischen Hierarchien zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen interessiert.

Übersicht 2: Koordinationsmechanismen für den Austausch von Waren und Dienstleistungen:

  • Elektronische Hierarchien (Bsp.: Autoproduzent - Zulieferfirmen)
    - via private Netze (Firmennetze)
  • Elektronische Märkte (mehrere Anbieter und Kunden)
    - via öffentliche Netze (z.B.: Telefonnetze)

3. ELEKTRONISCHE MASSENMÄRKTE

Wir konzentrieren uns nachfolgend auf elektronische Märkte, auf Strategien der Einbeziehung möglichst vieler Anbieter und Kunden (siehe Übersicht 3).

Vorerst stellt sich die Frage, wie es zur technisch-organisatorischen Anbindung der Privathaushalte an den Markt kommen soll und wer daran Interesse hat.

Einerseits existieren wirtschaftliche Interessen, möglichst viele potentielle Konsumenten, also möglichst große Märkte zu haben. Dieses Ziel läßt sich am besten über öffentliche Netze (Telefonnetz) erreichen. Andererseits gibt es auch bildungspolitische Interessen der jeweiligen Regierung. Hierbei geht es zum einen um eine Art Alphabetisierung, um die Qualifikation und Fähigkeit der Bürger, die neuen Kommunikationstechnologien effizient zu nutzen.

Als physische Leitungen, mit denen die Anbindung der Teilnehmer erfolgen kann, bieten sich das Telefonnetz und das KabelTV-Netz an, zunehmend aber auch Mobilkommunikationsnetze.

Als Grundvoraussetzung ist ein gewisses Maß an Interaktivität notwendig.

Übersicht 3: Die Schaffung elektronischer Massenmärkte. Ein Überblick:

Interessen:

  • wirtschaftliche
  • bildungspolitische

Initiativen: Premium Rate Services (PRS)

 

 
 Zeit Bezeichnung Informations Darstellung Voraussetzung   für Haushalt
 80er  Jahre Videotex (Vtx) Text (Grafik)      Telelephonanschluß + Vtx - Terminal (1)
 90er Jahre Audiotex (Atx) Sprache (Ton)

Telephonanschluß +Telephonapparat

(1) TV+Decoder; PC+Vtx-Software; spezielles Vtx-Terminal
Trends:
  • Kombinationen (Atx+KabelTV; Atx+Fax, Atx+Vtx)
  • Integriertes Breitband-Glasfasernetz (Problem: "Fiber in the Loop")
  • Zwischen- bzw. Alternativlösungen:
    - KabelTV-Netze: Interaktivität; vermittelte Kommunikation
    - KabelTV-Box mit eingebautem PC; interaktive TV-Software
    - Telefonnetze: höhere Bandbreite; Kompressionstechniken
    - Asymmetrical Digital Subscriber Line (ADSL)
  • Joint Ventures:
    - AT&T (Telefon) und Viacom (KATV)
    - Microsoft (Software) - Intel (Microchips)- General Instrument (KabelTV-Hardware)
    - Microsoft (Software) - Time Warner (KabelTV) - Tele-Communications (KabelTV)
    - US West (Telefon) und Time Warner (KabelTV)

3.1. Initiativen

Während der letzten Jahrzehnte gab und gibt es international gesehen im wesentlichen zwei Initiativen, Privathaushalte in den elektronischen Markt miteinzubeziehen: Videotex- und Audiotex-Dienste. Beide dienen als Basis für ein jeweils weites Angebot von Applikationen.

  • In vielen Ländern, wurde mit staatlicher Unterstützung das Videotex-System eingeführt (in Österreich unter dem Markennamen Bildschirmtext-Btx). Zu einem Massendienst wurde Videotex jedoch nur in Frankreich, wo die Terminals an Privathaushalte verschenkt wurden und inzwischen über sechs Millionen Terminals in Verwendung sind. In allen anderen Ländern, darunter auch in Österreich mit 15.000 Teilnehmern im Jahr 1991, war Videotex ein geringer Erfolg beschieden.
  • Eine bessere Ausgangsposition für eine weite Verbreitung bot sich für Audiotex-Dienste. Im wesentlichen versteht man darunter Telefondienste, für die erhöhte Telefongebühren zu bezahlen sind (sogenannte "Premium Rate Services"). Daß Dienstleistungen über das Telefon angeboten werden, wäre ja nichts neues; innovativ ist das für die Informationsanbieter bequeme Inkasso durch den Telefonnetzbetreiber, die Abrechnung der Dienstleistungen über die Telefonrechnung. Der Netzbetreiber kassiert und teilt dann die Einnahmen mit den Informationsanbietern. In Österreich wurde im März 1993 ein österreichweiter Audiotex-Pilotversuch gestartet. Die Dienste sind an der Vorwahl 045 erkennbar, am bekanntesten sind bislang Erotikdienste (meistens Tonbanddienste) und sogenannte Chatlines, also Tratsch-Konferenzen, wobei mehrere Kunden zusammengeschaltet werden. Die Ausgangsbedingungen, um ein Massendienst zu werden, sind sehr gut. Über 95 Prozent der Privathaushalte verfügen bereits über das notwendige Terminal, den Telefonapparat, und sind auch mit dessen Benutzung vertraut. Im Vergleich dazu war die Situation für Btx zur Zeit dessen Einführung viel schlechter. Nicht einmal ein Drittel der Haushalte verfügte über die technischen Voraussetzungen, um am Dienst teilzunehmen. Aber auch für die Audiotexverbreitung existieren Probleme. Sie ergeben sich bei der Gewährleistung des Jugendschutzes (Telefonsex) sowie der Verhinderung von Betrug (etwa mittels irreführender Werbung oder falschen Informationen für hohe Gebühren).

3.2. Trends in Richtung Erweiterung des elektronischen Marktes

Sowohl über Audiotex- als auch über Videotexsysteme kann eine weite Palette an Dienstleistungen angeboten werden, jedoch bestehen auch Limitationen. Es stellt sich die Frage, ob die beiden Systeme konkurrieren, oder ob sie komplementär sind. Geht man von den Anforderungen der Benutzer aus, so gilt beispielsweise, daß man mit sprachorientiertem Audiotex bei komplexeren Inhalten und auch bei der automatischen Weiterverarbeitung der Informationen auf Grenzen der Anwendbarkeit stößt.

Um diesen Problemen entgegenzuwirken, um - genereller formuliert - den verschiedenen Anforderungen der Benutzer besser zu entsprechen, werden Kombinationen verschiedener Systeme angeboten: So kann die Abfrage mittels Audiotex und die Antwort mittels Telefax erfolgen. In den USA wird weiters die Kombination angeboten, daß mittels einer Audiotexnummer verschiedene Music-Videoclips abgerufen, über KabelTV übertragen und via Telefonrechnung vergebührt werden. Eine Erweiterung des Anwendungsspektrums von Audiotex könnte auch die Verbreitung von Bildtelefonen mit sich bringen. Falls neben Sprache auch noch Bild und eingeschränkte Bewegtbildinformation übermittelt werden kann, so wäre dies die Basis für ein erweitertes Dienstangebot. Bildtelefonapparate sind bereits seit über 25 Jahren am Markt, konnten sich bislang aber nicht durchsetzen. In Großbritannien wird angesichts einer angekündigten Verbilligung der Bildtelefonapparate befürchtet, daß speziell Tele-Erotikdienste sich der neuen Möglichkeiten bedienen werden, woraufhin Bildtelefone für Audiotexdienste bereits verboten wurden, noch bevor sie sich am Markt etablierten konnten.

Für eine weitere Dienstkategorie der ein großer Markt prophezeit wird, nämlich "Video on Demand" (Video auf Abruf), sind sowohl Bildschirmtext als auch Audiotex in ihrer derzeitigen Konfiguration ungeeignet, da Bewegtbildfähigkeit hoher Qualität benötigt wird.

Der Trend geht in Richtung Integration der verschiedensten schmal- und breitbandigen Dienste auf einem Netz. Als technische (Ideal)Lösung wird ein integriertes Breitband-Glasfasernetz (Vermittlungsnetz) angestrebt, das in jeden Haushalt reicht. Diese Variante, speziell die Glasfaserverkabelung bis zu jedem Haushalt ("Fiber in the Loop"), ist sehr aufwendig und teuer, deren Realisierung wird realistischerweise noch Jahrzehnte dauern. So lange wollen die Dienstanbieter natürlich nicht warten. Daher wird auch bereits an alternativen Lösungen auf der Netzebene gearbeitet.

Im wesentlichen gibt es zwei Lösungsansätze:

1. Die Erweiterung des KabelTV-Netzes (um Interaktivität und Vermittlungsfähigkeit)

2. Die Erweiterung des Telefonnetzes (Übertragungsgeschwindigkeit; Kompression bei der Datenübertragung)

KabelTV-Netze, ursprünglich für Einwegkommunikation konzipiert, werden interaktiv und entwickeln sich von reinen Verteilnetzen zu vermittelten Netzen. Dies ist z.B. in Teilen Großbritanniens bereits verwirklicht. Dort bieten KATV-Betreiber auch lokale Telefondienste über ihre Netze an, beispielsweise die Firma NYNEX, die neben zwei weiteren US-Telefonfirmen (Southwestern Bell und Telewest) sowie der kanadischen Firma BCE zu den größten KATV-Betreibern in Großbritannien zählt.

  • Weitere Entwicklungsprojekte zur Aufwertung des KabelTV-Netzes ist ein geplantes Joint Venture der Firmen Microsoft (Software), Time Warner und Tele-Communications Inc. (US-KabelTV-Anbieter), zur Entwicklung interaktiver TV-Software. Mittels dieser Software, die in den KabelTV-Decodern installiert wird, können, individuell steuerbar, eine ganze Bibliothek von Filmen, Informationsdiensten, Nachrichten etc. abgerufen werden.
  • Bereits Anfang 1993 schlossen sich Microsoft (Software), Intel (Microchips) und General Instrument (KabelTV-Hardware) zusammen, um eine KabelTV-Box mit eingebautem interaktivem PC zu entwickeln.
  • Weitere Joint Ventures zwischen KabelTV-Firmen und Telefonfirmen (US-West und Time Warner; AT&T und Viacom) in den USA arbeiten an "Video on Demand"-Diensten auf der Basis von KabelTV-Netzen, unter Nutzung von Telefon-Vermittlungsämtern. AT&T entwickelt einen Computer, der tausende Videos in digitalisierter Form für den "Video on Demand"-Dienst abrufbar macht. Konkurrenz gibt es hierbei von IBM, die ebenfalls einen Computer entwickelten, der sich als Videothek eignet.
  • Die beiden größten KabelTV-Anbieter der USA, Time Warner und Tele-Communications, schlossen sich zusammen, um einen gemeinsamen Standard (Hardware und Software) für den Ausbau der KabelTV-Netze in sogenannte "electronic superhighways" zu entwickeln.

Telefonnetze verfügen im Gegensatz zu KabelTV-Netzen über genügend Interaktivität. Ihnen fehlt hingegen die Bandbreite, um etwa "Video on Demand", also Bewegtbilder, in TV-Qualität zu übertragen. Derzeitige Lösungen von Breitbandtechnik über das Telefonnetz, wie das MAN (Metropolitan Area Network), werden für betriebliche Nutzer, nicht aber flächendeckend angeboten. Technisch gesehen kann "Video on Demand" nicht nur über Glasfasernetze angeboten werden. Bellcore, das Forschungsinstitut der US-Bell-Telefonfirmen, hat erstmals 1989 einen Standard vorgeschlagen, sogenannte Asymmetrical Digital Subscriber Lines (ADSL), die in eine Richtung eine Breitbandübertragung bis zu 1,5 Mbit/sec auf bestehenden Kupferzweidrahtleitungen ermöglichen. Inzwischen kann man auf ADSL mittels der Discrete Multi-Tone Technik (DMT) bis zu einer Geschwindigkeit von 6Mbit/sec übertragen, also mehr als ausreichend für einen verbesserten TV-Standard. Die Lösung hat den großen Vorteil, daß damit beinahe sämtliche Haushalte "Video on Demand" über das Telefonnetz beziehen könnten, während Glasfaserlösungen noch weit von diesem Verbreitungsgrad entfernt sind. Auch europäische Telefonfirmen überlegen daher, die ADSL-Technik als Aufwertung ihrer Telefonnetze zu verwenden.

Zusammenfassend zeichnet sich also ein Wettlauf um die Installation des integrierten Netzes ab, auf dem eine Fülle neuer Dienste von Privathaushalten aus abrufbar sind. Im speziellen konkurrieren die Firmen um den Hoffnungsmarkt "Video on Demand", also das individuell gestaltbare TV-Programm.

Ob nun in den verschiedenen Ländern schwerpunktmäßig eine KabelTV- oder eine Telefonnetz-Lösung gewählt wird, hängt nicht zuletzt von der Verbreitung dieser Netze ab. Die KabelTV-Dichte schwankte 1990/91 in den OECD-Ländern zwischen 89 Prozent in Belgien und 1,5 Prozent in Großbritannien und Frankreich; in den USA betrug die Dichte 55 Prozent, Österreich lag mit 25 Prozent unter dem OECD Schnitt von 32 Prozent.

4. METAPHERN FÜR TELEKOMMUNIKATION

Die Rolle und Bedeutung der Teledienste läßt sich u.a. anhand der gängigen gesellschaftlichen Sichtweisen von Telekommunikation analysieren. In diesem Zusammenhang möchte ich auf Metaphern im Zusammenhang mit Telekommunikation verweisen, auf Bilder und Analogieschlüsse, die das Verständnis der Telekommunikation fördern und gleichzeitig prägen (siehe Übersicht 5).

Traditionell wird Telekommunikation als Leitungssystem, als Infrastruktur, gleich jener für Energie-, Personen- und Gütertransport betrachtet. Viele Vergleiche und Analogieschlüsse wählen das Bild des Verkehrs- oder Transportsystems für das Gut Information. Dieses Bild dient meist der Erklärung der wirtschaftlichen Bedeutung von Telekommunikation und in der Folge der Rechtfertigung riesiger Investitionen.

Im letzten Jahrzehnt hat sich nun auch eine räumliche Sichtweise von Telekommunikation etabliert. Es ist vor allem der Verdienst der Science Fiction Romane von William Gibson, die räumliche Dimension der Telekommunikation, den "Cyberspace", wie Gibson ihn bezeichnete, in den Vordergrund zu rücken. Wir wollen diesen räumlichen Aspekt hier aufgreifen, aber anstatt Cyberspace die Metapher "Elektronischer Raum" verwenden, der durch Telekommunikationsnetze geschaffen wird. In diesem elektronischen Raum existieren die bereits erwähnten elektronischen Märkte, es werden all die Dienste angeboten, die wir eingangs erwähnt haben. Raum impliziert auch, daß darin Kommunikationsprozesse, soziale Interaktionen stattfinden. Gleichwie im physischen Raum entwickeln die Benutzer "Lieblingsplätzchen", seien es spezifische Diskussionsecken, Spielgruppen etc.

Während sich die Metapher von Telekommuniktionsnetzen als Leitungen und Infrastruktur gut zur Erklärung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung eignet, so kann die räumliche Metapher, genauer gesagt die sozio-räumliche Metapher, vor allem dem besseren Verständnis des Zusammenwirkens von technischem Design, staatlicher Regulierung und dem Benutzerverhalten dienen.

Übersicht 5: Metaphern für den Telekommunikationssektor

  • Verkehrs-, Transportsystem; Informations-Infrastruktur ("Superhighway")
  • Cyberspace; Elektronischer Raum (sozio-räumliche Sichtweise)

5. DIE GESTALTUNG DES ELEKTRONISCHEN RAUMES

Im physischen Raum sind Raumplaner und Architekten zentral mit der Gestaltung befaßt und beeinflussen somit auch die sozialen Interaktionen im Raum, es kann Macht über Personen ausgeübt werden. Ein gutes Beispiel für die Beeinflussung von Personen sind Einkaufszentren, wo mittels Architektur bewußt Konsumenten in Richtung einer Vereinfachung der Konsumption beeinflußt werden.

Vergleichbar dazu sind es im elektronischen Raum Techniker einerseits und Telekommunikationspolitiker andererseits, die die soziale Interaktion im elektronischen Raum, speziell etwa im elektronischen Einkaufszentrum bestimmen. Man kann auch die Überwachung und Kontrolle des elektronischen Raumes steuern, wie sehr nun ein Raum privat oder öffentlich ist.

Einflußmöglichkeiten bieten sich über die

  • Gestaltung des Dienstes (Benutzerfreundlichkeit des Endgerätes, die Übersichtlichkeit der Datenbank etc.) und durch die
  • staatliche Regulierungen (Gesetze, Verordnungen), die etwa den möglichen Inhalt des elektronisch angebotenen Dienstes regulieren (keine Pornographie etc.), oder festlegen, wer zu welchen Bedingungen anbieten darf (Marktzugangsregelungen).

Technikentwicklung im allgemeinen und die Gestaltung des elektronischen Raumes im speziellen geschehen in Alternativen und Verzweigungen, wobei dem Benutzer die Verzweigungen meistens gar nicht bewußt sind und in vielen Fällen auch bewußt nicht bewußt gemacht werden.

5.1. Fallbeispiel Rufnummernerkennung

Da sich die tägliche Lebensgestaltung, wie bereits eingangs erwähnt, nun immer mehr in den elektronischen Raum verlagern läßt, ist dessen Design auch für Privathaushalte von wachsender Bedeutung. Dem entgegen sind private Nutzer jedoch in der Regel nicht in den Designprozeß miteinbezogen. Es gibt international gesehen nur einige Ausnahmefälle, beispielsweise das Bürgergutachten über ISDN in Deutschland. Dort wurde auf der Basis der Bewertung verschiedener Alternativen durch private Benutzer die Gestaltung des ISDN-Angebotes verändert. In Österreich sind weder private noch geschäftliche Benutzer in den Designprozeß von ISDN eingebunden. Wie vielschichtig und sensibel sich die technisch-organisatorische Gestaltung von Diensten auf deren Benutzung auswirkt, zeigt das Fallbeispiel des auf den ersten Blick harmlos wirkenden ISDN-Telefonzusatzdienstes "Rufnummernerkennung" (Caller-ID). Mittels dieses Zusatzdienstes wird die Telefonnummer des Anrufenden bereits vor dem Abheben am Display des Angerufenen angezeigt.

Die Rufnummernerkennung wird derzeit in Österreich im Zuge der Umstellung des Telefonnetzes auf ISDN eingeführt. In Ländern, etwa den USA, wo Caller-ID in einigen Bundesstaaten bereits verfügbar ist, kam es diesbezüglich bereits zu etlichen Kontroversen, zu parlamentarischen Hearings etc. und auch die EG befaßt sich mit den möglichen Auswirkungen dieses Dienstes. Eine ausführliche Analyse der Rufnummernerkennung würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Ich möchte mich daher darauf beschränken, einige durch diesen Dienst aufgeworfene Problemstellungen, Interessen der Akteure sowie verschiedene Designvarianten und deren mögliche Auswirkungen stichwortartig aufzuzeigen:

Funktion:

  • Die Rufnummer des Anrufenden erscheint am Apparat des Angerufenen während des Läutens des Telefons.

Welche Möglichkeiten bietet die Rufnummernerkennung? (Beispiele)

  • Der Angerufene kann sich entscheiden, ob er abhebt oder nicht. Dies kann automatisiert werden, indem unerwünschte Anrufer (Nummern) in der Telefonanlage gespeichert werden. Anrufe aus dieser Liste können zu einem Besetzzeichen oder einem Tonband umgeleitet werden.
  • Intensivere Kundenbetreuung: Firmen können beispielsweise Kunden persönlich begrüßen noch bevor sich diese vorgestellt haben da am Bildschirm des Betreuers automatisch ein Stammdatenblatt des Anrufers erscheint.
  • Die Nummern sämtlicher Anrufer können gespeichert und dann für Telemarketing weiterverwendet werden.

Argumente für die Rufnummernerkennung:

  • Verhinderung von belästigenden, anonymen (Droh-) Anrufen; (Gegenargument: Fangschaltung als Alternative)
  • Verhinderung von Fehlalarms bei Feuerwehr und Polizei. (Gegenargument: Schon jetzt werden für Alarmanrufe Fangschaltungen verwendet)
  • Wirtschaftliches Interesse an der Speicherung der anrufenden Nummern für Marketingzwecke (Beispiel: Anrufer bei Warenhäusern, die sich über gewisse Produkte informieren, werden automatisch in eine Datei für das Telefonmarketing aufgenommen.);
  • Mehreinnahmen für die Telefongesellschaften.

Argumente gegen Rufnummernerkennung:

  • viele Beratungs- und Auskunftsdienste (anonyme Alkoholiker, AIDS-Auskunft etc.) basieren auf der Anonymität des Anrufenden; (Gegenargument: Anrufe aus öffentlichen Telefonzellen zur Wahrung der Anonymität.)
  • keine Geheimnummern mehr möglich;
  • Datenschutzbedenken.

Problemstellungen:

  • wessen Privatsphäre ist durch den Dienst gefährdet? Die des Anrufers (durch den Dienst) oder die des Angerufenen (ohne den Dienst)?
  • Welche Variante des Dienstes entspricht dem Grundsatz der "informationellen Selbstbestimmung" der Telefonkunden?
  • Wer bezahlt für die Rufnummernerkennung, beziehungsweise für dessen Unterdrückung?

Gestaltungsvarianten:

  • "Informationelle Selbstbestimmung" heißt in diesem Fall, daß der Anrufer über die Verwendung seiner Daten (=Rufnummer) selbst bestimmt; daß der Anrufer entscheidet, ob seine Rufnummer angezeigt wird oder nicht. Dementsprechend sieht auch der EG-Standard für den Dienst "Rufnummernanzeige" eine Unterdrückungsmöglichkeit vor. Hierzu bieten sich jedoch verschiedene Gestaltungsvarianten mit unterschiedlichen Auswirkungen an:
    - standardmäßige Anzeige oder Nichtanzeige der Nummer;
    - Wahl der Unterdrückung pro Anruf oder pro Anschluß?
    Erläuterung: Falls standardmäßig die Rufnummer angezeigt wird, so könnte es suspekt erscheinen, falls die Nummer nicht freigegeben wird - wodurch ein Druck in Richtung Freigabe entsteht; außerdem ist die Unterdrückung dann mit zusätzlichem Aufwand verbunden (Eingabe eines zusätzlichen Codes zur gewählten Nummer). Weiters ist zu beachten, daß erfahrungsgemäß der Großteil der Telefonkunden sich für die standardmäßig vorgesehene Variante entscheiden wird, den Mehraufwand meidet, unabhängig davon welche Variante dies auch ist.
  • Ein weiteres Kriterium für die Benutzung des Dienstes sind die Kosten. Wieviel kostet der Zusatzdienst, wieviel die Unterdrückung der Nummernanzeige?

Mittels der Festlegung der Standard-Variante (Rufnummer wird weitergegeben oder Rufnummernunterdrückung) sowie der Festlegung der Kostenstruktur (Kosten für die Unterdrückung oder Kosten für die Weitergabe der Daten) wird also über die Benutzung und die Auswirkung des Dienstes entschieden. Bei der Bestimmung der standardmäßigen Variante des Dienstes ist weiters zu berücksichtigen, für welche Art der Kommunikation der Telefonkunde einen Vertrag mit der Post abgeschlossen hat. Die Rufnummernanzeige kann nämlich den Charakter des Telefonierens verändern. Will man den Telefondienst als anonymen Dienst bewahren, so dürfte die Rufnummer standardmäßig nicht übertragen werden, sondern nur nach Eingabe eines Codes durch den Anrufenden.

Die Österreichische Post- und Telegraphenverwaltung hat sich im Rahmen des ISDN-Pilotversuches für folgende Variante der Einführung der Rufnummernerkennung entschlossen: Die Rufnummernweitergabe kann vom Anrufenden unterdrückt werden; die Unterdrückung erfolgt pro Anruf; sie kostet 30 Schilling Umstellgebühr (einmalig) und 5 Schilling pro Anruf;

Die Überlegung dahinter scheint somit folgende zu sein: alle Anrufer sollen ihre Nummer preisgeben, wer dies nicht will, soll für diese Datenschutzmaßnahme auch bezahlen.

Eine Alternative zu diesem Konzept wäre, daß der anonyme Anruf Standard bleibt und für den zusätzlichen Dienst der Weitergabe von Nummern bezahlt werden muß. Den Telefonteilnehmern bliebe dann immer noch die Möglichkeit, daß sie nur jene Telefonate entgegennehmen, bei denen sich die Anrufenden identifizieren.

Das Fallbeispiel "Rufnummernerkennung" zeigt, daß bei näherer Betrachtung von Telediensten etliche Gestaltungsvarianten existieren. Die einzelnen Varianten transportieren unterschiedliche Zielsetzungen und Werthaltungen und haben verschiedene Auswirkungen auf die Benutzer der Dienste. Die Einbeziehung der Benutzer bei der Asuwahl der Standardvariante setzt das Aufzeigen und die Erklärung der Alternativen voraus. Eine derartige partizipative Einführungsstrategie wäre ein Schritt in Richtung Demokratisierung der Technikgestaltung und nicht zuletzt auch als akzeptanzfördernde Maßnahme für den Dienstanbieter von Vorteil.

6. ZUSAMMENFASSUNG

Im Rahmen dieses Artikels wurde versucht, einige Aspekte der rasch anwachsenden Teledienste für den Massenmarkt zu skizzieren. Nach der Beschreibung der Dienstpalette wurden unterschiedliche Varianten der Koordinationsfunktion von Telediensten beim Austausch von Waren und Dienstleistungen thematisiert. Aus ökonomisch-organisatorischer Sicht kann zwischen elektronischen Hierarchien und elektronischen Märkten unterschieden werden. Als Beispiel internationaler Strategien zur Schaffung von elektronischen Massenmärkten wurde Videotex (80er Jahre) und Audiotex (90er Jahre) herangezogen. Eine wesentliche Erweiterung der elektronischen Massenmärkte wird durch die Integration und Kombination von Telekommunikationsdiensten und TV (Video) auf einem interaktiven, breitbandigen (Vermittlungs)Netz erwartet. Dieser Markt (beispielsweise um den Dienst "Video on Demand") verursacht bereits einen Wettlauf zwischen Telefonnetz- und KabelTV-Betreibern, die ihre Netze dementsprechend adaptieren müssen. Einige aufgelistete Joint Ventures von Firmen aus den verschiedenen Industriezweigen verdeutlichen die wachsende Konvergenz des Telekommunikations- und Rundfunksektors. Ausgehend von Metaphern für den Telekommunikationssektor wurde abschließend auf die Bedeutung der Gestaltung von Diensten und Netzen verwiesen. Neben der Sicht der Telekommunikationsnetze und Dienste als Infrastruktur, als Leitungssystem für das Gut Information, hat sich auch ein Bild von Telekommunikation als "Elektronischer Raum", als "Cyberspace" etabliert. Diese räumliche Metapher eignet sich gut für die Beschreibung des Zusammenwirkens von technischem Design, staatlicher Regulierung und dem Benutzerverhalten. Als Fallbeispiel, welches die Brisanz der technischen und regulatorischen Gestaltung veranschaulicht, wurde das international umstrittene Dienstmerkmal "Rufnummernerkennung" (Caller-ID) gewählt. Das Beispiel zeigt nicht nur die Auswirkungen alternativer Konfigurationen von Zusatzdiensten auf den Charakter des Telefondienstes, sondern thematisiert auch das Problem der mangelnden Einbeziehung von Benutzern in den Gestaltungprozeß, mit anderen Worten, die Möglichkeiten und Probleme einer partizipativen Technikgestaltung im Telekommunikationssektor.

Literatur:

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Garbe, Detlef: Social Compatibility of Telecommunication Technologies; in: Telecommunications Policy, Nov. 1992, p. 646-656.

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Latzer, Michael: Videotex in Austria: Ambitious Plans..., 53-68; in: Bouwman/Christoffersen 1992.

Latzer, Michael: Audiotex in Austria: Cautious Beginnings, forthcoming; in: Latzer/Graham 1993.

Latzer, Michael/Thomas, Graham (Eds.): Money Talks. The Development and Regulation of Audiotex in Europe and the USA (working title), forthcoming (1993).

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Samarajiva, R./Shields, P.: Institutional and Strategic Analysis in Electronic Space: A Preliminary Mapping. Paper presented at the 43rd Annual ICA Conference, May 27-31, Washington 1993.

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Periodicals:

Financial Times

New York Times

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