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                              Spätestens, 
                            seit auf dem Donauinselfest 1995 zwischen 
                            Konzertbühnen und Marktständen ein "Cyberzelt" zum 
                            "Surfen" im "Web" einlud, sind die neuen 
                            interaktiven Medien sichtbar in die Wiener 
                            Freizeitkultur eingedrungen. Im selben Jahr hatte 
                            das erste "electronic Cafe" Premiere und wurde zur 
                            Dauereinrichtung, in der man an der "elektronischen 
                            Bar" statt in Zeitschriften in Webpages blättert. Am 
                            Laurenzerberg eröffnet ein "Virtuality" - 
                            Treffpunkt, in dem man sich mit anderen in 
                            elektronisch verteilten Phantasiewelten treffen 
                            kann. Im Wiener Kabeltext wird mit interaktiven 
                            Spielen experimentiert. Eine in die tausende gehende 
                            Wiener Subkultur benutzt Mailboxen wie "Blackbox" 
                            und "Magnet", um zu tratschen, zu spielen, neue 
                            Bekanntschaften zu schliessen....- und so weiter. 
                            Man kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, 
                            daß es sich bei den beschriebenen Beispielen um 
                            Vorboten handelt, um die Spitze einer Entwicklung, 
                            die Freizeitverhalten und Freizeitbedürfnisse ebenso 
                            nachhaltig beeinflussen und verändern wird wie das 
                            Auto und das Fernsehen. Vielleicht sind die 
                            Wirkungen und Einflüsse, die aus diesem Bereich auf 
                            Stadtplanung und Stadtentwicklung resultieren, nicht 
                            weniger wichtig als jene, die parallel dazu im 
                            Bereich der Wirtschaft vor sich gehen (Telearbeit-EDI-virtuelle 
                            Firmen). Vielleicht gehen diese Einflüsse sogar so 
                            weit, daß Begriffe wie "Arbeit" und "Freizeit" als 
                            Beschreibung sozialer Realität ausgedient haben. Im 
                            folgenden dazu einige thesenartige überlegungen:
                             
                              
                            1. Die 
                            digitale Revolution verändert unseren Raumbezug
                             
                            Eigentlich verdankt 
                            die Telekommunikationsrevolution ihre Dynamik dem 
                            Zusammenwirken zweier unterschiedlicher technischer 
                            Errungenschaften: Einerseits der Fähigkeiten des 
                            Computers zur unterschiedslosen universellen 
                            Symbolverarbeitung im Bereich von Bits und Bytes und 
                            andererseits einer drastischen Verbesserung der 
                            digitalen übertragungsmedien. Beide sind für sich 
                            genommen spektakulär, entfalten aber in der 
                            Kombination eine epochal zu nennende Synergie.  
                            Während eine klassische Fernsehübertragung noch ein 
                            eindeutiges Verhältnis von Abbild und Realität 
                            kennt, ist die Realität der digitalen Medien 
                            "überall zugleich", weil sie sich in bits und Bytes 
                            verselbständigt. Die Telekommunikationstechnologie 
                            transportiert im Computer repräsentierte, 
                            simulierte, manipulierte Realität.  
                            Daß dadurch physische Entfernungen auf Null 
                            zusammenschrumpfen ist die erste Folge der Synergie 
                            von Telekommunikation und Computern. Man "trifft" 
                            sich an "virtuellen Orten", ebenso wie man über das 
                            Internet eine New Yorker Straßenkreuzung aufsuchen 
                            kann, weil dort eine Kamera am Netz hängt. Der 
                            Computer ist Wegweiser und Weg zugleich.  
                            Das Interface zwischen Mensch und Maschine ist durch 
                            die Telekommunikationstechnologie zu einem Interface 
                            des unmittelbaeren Bezugs zwischen Räumen geworden.
                            1 
                            Die zweite Folge der oben beschriebenen Synergie 
                            ist Mischung der digitalen Repräsentation mit 
                            verschiedenen, an ihren Aus- und Eingabeterminals 
                            vorhandenen "Realitäten" - und sie ist der 
                            eigentliche Witz und enthält das enorme Potential 
                            der neuen Medien im Freizeitbereich. Der Computer 
                            für sich genommen kann noch so schöne Simulationen 
                            bieten - die in ihm gespeicherten Daten sind 
                            grundsätzlich endlich und damit langweilig
                            2. Ganz anders, 
                            wenn wirkliche Subjekte und Objekte als Spieler 
                            einbezogen und mittels Telekommunikation Eintritt in 
                            die mystische Sphäre Digitalität erhalten: Dann wird 
                            Realität zum Anhängsel ihrer virtuellen 
                            Repräsentation und eine neue "Hyperrealität" 
                            entsteht, in der Wirkungen und Ursachen ihre 
                            bisherige raumzeitliche Fixierung verlieren.  
                            Sehr schön anschaulich gemacht wurde diese 
                            Vermischung von Virtualität und Realität unlängst 
                            bei einem Projekt im Rahmen der Ars electronica 
                            namens "checkpoint 95". In zwei Studios in Moskau 
                            und New York saßen russische und amerikanische 
                            Kriegsveteranen in Autoattrappen, deren 
                            Bedienungselemente mit Modellautos auf der Linzer 
                            Nibelungenbrücke verbunden waren. Kleine Kameras in 
                            den Modellautos versorgten die VR-Brillen der 
                            Teilnehmer, die dadurch in Linz "telepräsent" waren 
                            - als Liliputaner in einem Spektakel von Riesen.  
                            Diese digitale Mischrealität mag dem Probanden heute 
                            noch übelkeit zufügen angesichts der auftretenden 
                            Zumutungen an den Wahrnehmungsapparat, aber sie hat 
                            eine ganze Reihe von Verlockungen in petto.  
  
                            
                              - Zum ersten 
                              verspricht die "telepräsente" Reise etwas mehr zu 
                              sein als ein pures Abbild von Realität: ein Hauch 
                              von Unmittelbarkeit, von Authentizität, von 
                              eigenem Erlebnis wird da geboten ohne alle damit 
                              verbundene Risiken und Mühen. Andreas Okopenko hat 
                              die Möglichkeit des selbständigen "Navigierens" 
                              durch die Hyperrealität als überwindung 
                              langweiligen "Ostblock-Tourismus" gepriesen, der 
                              nur vorgeschriebene und geprüfte Blicke erlaube. 
                              Der Internet Jargon bezeichnet das Navigieren im 
                              World Wide Web als "surfen". Das Modellauto fährt 
                              jetzt, und weil ich es so gewollt habe, an den Fuß 
                              des Moderators - der mir vorkommt wie ein Felsen.
 
  
                              - Damit verbunden 
                              ist auch die faszinierende Möglichkeit, die 
                              Grenzen der eigenen Identität zu überschreiten. 
                              Wie gesagt - "nobody cares if you are a dog on the 
                              Internet". Für Rollenspiele muß man sich nicht 
                              maskieren, das besorgt die Hyperrealität. Im Chat 
                              der Geschlechter kann sich "Mann" als "Frau" 
                              ausgeben, mit Verhaltensweisen kokettieren und 
                              seinesgleichen täuschen.
 
  
                              - Wo die 
                              Hyperrealität Handlungsfeld ist, ist zum dritten 
                              auch das überschreiten des in der Realität 
                              Erlaubten und Möglichen kein Problem mehr. Man 
                              trifft sich mit Gleichgesinnten in Fantasy-Welten, 
                              benimmt sich wie ein echter Barbar, oder erkundet 
                              die Galaxis mit millionenfacher 
                              überlichtgeschwindigkeit. Auf Internet Ethik-Foren 
                              wird die Verwerflichkeit virtueller Morde 
                              diskutiert.
 
  
                              - Wo heute noch 
                              der Einsatz persönlicher Phantasie notwendig ist, 
                              um der Hyperrealität die nötige Plastizität und 
                              Tiefe zu verleihen, versprechen neue Interfaces 
                              sensorische Stimulation. So verspricht viertens 
                              die Hyperrealität tiefer und nachhaltiger "unter 
                              die Haut" zu gehen als Erlebnisse, die auf 
                              abgestumpfte Sinne treffen. 
 
                             
                            2. Die 
                            Simulation ist die perfekte Ware
                             
                            Kein Wunder also, 
                            wenn weltweit Computerfirmen, 
                            Telekommunikationskonzerne und die 
                            Unterhaltungsindustrie Allianzen und 
                            Zusammenschlüsse bilden, um mit enormem technischen 
                            und finanziellen Aufwand den digitalen Freizeitmarkt 
                            der Zukunft zu erobern.  
                            Einstweilen haben wir zwar nur das Internet als 
                            "Datenhighway", aber schon wird in den 
                            Marketingabteilungen der Konzerne die Frage 
                            aufgeworfen, wie der Konsument zum Produkt kommt. 
                            Die Manager der Freizeitindustrie denken zum 
                            Beispiel an "digitale Freizeitparks": "Mit der 
                            richtigen Ausrüstung (raumhohe Projektionsflächen, 
                            bewegliche Plattformen, einige Crimson Reality 
                            Engines zur Erzeugung hochauflöslicher Bilder) kann 
                            man ganz Disneyland in einen Dodge Caravan stecken", 
                            erklärt ein Manager des Entertainmentkonzerns Sega 
                            dem Redakteur der amerikanischen Computerzeitschrift 
                            Wired. 3 
                            Andere wollen sich mehr dem Haushaltsmarkt 
                            widmen und sehen in "Video on demand" die Vorstufe 
                            einer "Reality on Demand" - Industrie, die 
                            interaktive Abenteuer jeder Art in Millionen von 
                            Haushalte liefert. Wenn jeder Film ohnehin in 
                            tausende digitale Schnippselchen zerschnitten wird, 
                            warum sie dann nicht interaktiv neu zusammensetzen, 
                            je nach Reaktion des Betrachters? Und mit der selben 
                            Inbrunst, mit der vor einem Jahrzehnt noch an 
                            Reagans Wunderwaffe gegen das Reich des Bösen 
                            gewerkt wurde, widmet sich die Ingenieurskunst dem 
                            höheren Auftrag, schiere Rechenleistung zuwege zu 
                            bringen, um mittels Breitbandkommunikation den 
                            Konsumenten die perfekte Simulation ins Haus zu 
                            liefern.  
                            Kein Zweifel, daß dieser Auftrag erfüllt werden 
                            wird, technisch gesehen. Aber jede Menge Zweifel 
                            sind gerechtfertigt, ob das ganze Unterfangen, einen 
                            neuen Wachstumsmarkt Freizeitindustrie zu schaffen, 
                            nicht von vorneherein an einer Unmöglichkeit ganz 
                            anderer Art scheitern wird. Die überlegungen der 
                            Mediengiganten gehen nämlich davon aus, daß sie auch 
                            in Zukunft genug zahlungsfähige Konsumenten 
                            vorfinden werden, in deren Haushalte sie gegen gutes 
                            Geld die Ware Information und Simulation 
                            transportieren können. 
                            Die eine Seite der Gleichung, die dabei unterstellt 
                            wird, ist die Kommodifizierbarkeit von Information 
                            und Simulation. Im Prinzip geht die Medienindustrie 
                            von einer linearen Extrapolation der Hollywood-Ära 
                            in die digitale Zukunft aus, von globalen 
                            Traumfabriken mit einer noch stärkeren Komponente 
                            auf der Verbindung zwischen Marketing, Moovies und 
                            Merchandising. War im Film das product placement 
                            bereits fester Bestandteil des Sets, wird das 
                            digitale Movie auch gleich noch zum Verkaufskatalog. 
                            Bei den Technologiegesprächen Alpbach 1994 wurde das 
                            mittleweilen sprichwörtliche Bild von der online 
                            Auktion von Indiana-Jones' Hut geboren: das 
                            Feilbieten von Waren im Kontext ihrer Präsentation 
                            im Entertainment. Die Medienintegration bedeutet vor 
                            allem die zunehmende Ununterscheidbarkeit von 
                            Werbung, Information und Marktplatz. 
                            Der elektronische Marktplatz ist nicht nur 
                            universell, er vermag Zugriff auf mehr Anbieter zu 
                            vermitteln als die größte Shopping Mall
                            4, er soll auch 
                            noch gleich das Kaufmotiv mittransportieren. Kein 
                            Wunder, daß sich im Gegenzug die Einkaufszentren in 
                            Unterhaltungszentren verwandeln wollen, um den 
                            Anschluß an die Konsumenten nicht zu verlieren. 
                            Die Medienindustrie und ihre elektronischen 
                            Transportwege machen praktisch wahr, was der Ende 
                            1994 durch Freitod aus dem Leben geschiedene Guy 
                            Debord in seiner "Gesellschaft des Spektakels" 
                            vorausgesagt hat: die tendenzielle 
                            Ununterscheidbarkeit von Warenproduktion und 
                            Unterhaltungsindustrie. Seine Kritik der 
                            "Trennungen", der abstrahierenden und 
                            zerstörerischen Qualität des warenförmigen Reichtums 
                            ist aktueller denn je: je mehr "Schein" und 
                            "Spektakel" die Distributionsform gesellschaftlichen 
                            Reichtums bestimmen, umso geringer wird die Chance, 
                            daß dieser sich als System von sinnlich-konkreten 
                            Bezügen überhaupt noch erhält. Der Bestand an 
                            Irrationalität im Gesamtsystem nimmt in genau dem 
                            Ausmaße zu, je perfekter die Details funktionieren. 
                            Der Schein von Konkretheit, der für den Akt der 
                            Konsumtion erzeugt werden muß, ist genau die 
                            Abstraktion, die das Leben in unzusammenhängende 
                            Stücke zerschneidet.  
                            3. Die 
                            Arbeitsgesellschaft geht zu Ende - und mit ihr die 
                            Freizeit 
                             
                            Die andere Seite 
                            der Gleichung, mit der die Freizeitkonzerne ihre 
                            Milliardeninvestitionen rechtfertigen, ist nicht 
                            weniger fragwürdig geworden. Um "video on demand" zu 
                            einer lohnenden Investition zu machen, muß der 
                            durchschnittliche "verkabelte" Haushalt tausende 
                            Dollar jährlich ausgeben. Die Existenz einer breiten 
                            Mittelschicht gutverdienender Konsumenten ist 
                            conditio sine qua non solcher Projekte. 
                            Was aber, wenn gerade aufgrund der rasenden 
                            Fortschritte der Informations- und 
                            Kommunikationstechnologien die Voraussetzungen 
                            dieser Gleichung unwiederbringlich aufgehoben 
                            werden? Der amerikanische Ökonom und Trendforscher 
                            Jeremy Riffkin behauptet in seinem Buch "The End of 
                            Work", daß die neuen Technologien mit den 
                            Produzenten auch die Kaufkraft der Konsumenten 
                            abschaffen: 
                            "Unsere führenden Geschäftsleute, Ökonomen und 
                            Politiker sagen uns, daß die steigenden 
                            Arbeitslosenzahlen nur kurzfristige "Anpasungen" 
                            darstellen, die von den weltweiten Fortschriten ins 
                            Informationszeitalter kompensiert würden. Aber 
                            Millionen von arbeitenden Menschen bleiben 
                            skeptisch. Allein in den Vereinigten Staaten 
                            vernichten die Unternehmen zwei Millionen 
                            Arbeitsplätze jährlich. Obwohl auch neue 
                            Arbeitsplätze geschaffen werden, so doch 
                            hauptsächlich in Niedriglohnsektoren, und viele 
                            davon sind befristete und 
                            Teilzeitarbeitsverhältnisse."
                            5 
                            So ist es in den USA heutzutage in den 
                            Mittelschichten durchaus verbreitet, zur Haltung des 
                            bisherigen Lebensstandards zwei oder gar mehrere 
                            Arbeitsverhältnisse einzugehen. Damit wird aber die 
                            bisherige Freizeitsphäre zur statistischen Fiktion 
                            und verwandelt sich immer mehr in den Kampf ums 
                            überleben: bei den einen als Mehrarbeit, bei den 
                            anderen als Arbeitslosigkeit. 
                            Die Telekommunikationstechnologien und der 
                            Datenhighway sind Schlüsseltechnologien bei dieser 
                            dramatischen sozialen Entwicklung: war es zunächst 
                            die unternehmensinterne Vernetzung durch Local Area 
                            Networks und die dadurch mögliche 
                            Kommunikationseffektivierung, die vor allem 
                            Kahlschläge im unteren und mittleren Management 
                            verursacht hat - Eastman Kodak hat zum Beispiel 
                            heute nur noch vier Managementstufen, wo vor wenigen 
                            Jahren noch dreizehn üblich waren -, so folgt nun 
                            die "Selbstbedienungsgesellschaft". Andersen 
                            Consulting, eine weltweit führende 
                            Unternehmensberatung, sieht allein im Bankwesen 
                            einen Personalabbau von rund 30 bis 40 Prozent in 
                            den nächsten Jahren voraus. Telebanking, Bankomaten, 
                            Kundenberatung per Video sind nur einige der 
                            Innovationen, die hier zu greifen beginnen, ähnliche 
                            Entwicklungen vollziehen sich im Bereich des 
                            Handels.  
                            Die dritte und möglicherweise dramatischste Stufe 
                            der Veränderung des Verhältnisses von Arbeit und 
                            Freizeit besteht in der Ausbreitung von Telearbeit. 
                            Die Möglichkeit, mithilfe von Computern und 
                            Telekommunikation auch zu Hause oder im 
                            Nachbarschaftsbüro zu arbeiten, wird von vielen 
                            Arbeitnehmern durchaus mit Sympathie betrachtet - 
                            bedeutet doch schon die schlichte Ersparnis an 
                            Wegzeit einen Gewinn an Freizeit. Für Firmen 
                            eröffnen sich freilich damit ganz neue Freiheiten 
                            der Kalkulation, die im Endeffekt den spürbarsten 
                            Einschnitt in die Freizeitsphäre bringen könnten. 
                            Der Nutzen von Telearbeit besteht auf dieser Seite 
                            vor allem in der Flexibilisierung der Arbeitskraft. 
                            Ein Manager aus Großbritannien drückte das bei der 
                            Telearbeitskonferenz 1993 mit dem Vergleich aus, 
                            "Telearbeit wie die Flammen auf einem Gasherd" 
                            handhaben zu können. Die Mitarbeiter - die Firma 
                            besteht zu 99% aus Teleheimarbeitern - würden je 
                            nach Auftragseingang in Anspruch genommen und 
                            bezahlt, statt eines Mindesgehalts erhielten sie für 
                            die ständige Dienstbereitschaft vom Unternehmen eine 
                            Treueprämie in der Höhe von 10% ihres 
                            Normalverdienstes.  
                            Telearbeit bedeutet die Verlagerung der 
                            Arbeitsaktivitäten in den Kernbereich der Freizeit. 
                            Alleine die mangelnde räumliche Trennung begünstigt 
                            Workoholismus, überzeiten, Unschärfen und 
                            Instrumentalisierung des Privat- und 
                            Freizeitbereiches. Die Verantwortung für die 
                            Ergonomie der Arbeitsumgebung, für Kosten aller Art, 
                            für Ausfälle und Störungen kann sehr viel leichter 
                            auf die Arbeitnehmer abgeschoben werden. Die 
                            grenzüberschreitende Flexibilität der Arbeitskraft 
                            vergrößert die Konkurrenz unter den Arbeitnehmern 
                            und gefährdet sozialpartnerschaftliche Arrangements, 
                            die im nationalen Rahmen noch möglich waren. Wenn 
                            heute schon eine österreichische Fluglinie ihre 
                            Buchhaltung in Indien erledigen lassen kann, dann 
                            schafft das eine gewisse Vorstellung von dem, was zu 
                            erwarten ist, vor allem angesichts der zuvor 
                            beschriebenen Ungleichgewichte in Angebot und 
                            Nachfrage. 
                            Peter Drucker hat "das Verschwinden der Arbeit als 
                            Schlüsselproduktionsfaktor" als das "größte 
                            unerledigte Problem des Kapitalismus" bezeichnet. In 
                            einer Studie der ILO in Genf, zitiert vom ehemaligen 
                            Vorsitzenden der International Association of 
                            Machinists, Winpisinger, wird gar die drastische 
                            Vorhersage unternommen, daß in den nächsten Jahren 
                            durch Automation und Biotechnologie nur mehr 2 
                            Prozent der heute benötigten Arbeitskraft benötigt 
                            werden, um alle nachgefragten Güter zu produzieren. 
                            Rifkin dazu: "Viele Beobachter fragen sich, wie eine 
                            zunehmend arbeitslose und minderbeschäftigte 
                            Bevölkerung, ersetzt durch die neuen Technologien, 
                            überhaupt noch in der Lage sein wird, sich die 
                            Produkte und Dienstleistungen, die da massenhaft 
                            angekurbelt werden, überhaupt zu leisten."
                            6 
                            Wie sehr sich die Realitäten verändert haben, 
                            sieht man auch an den Utopien. Die totale 
                            Freizeitgesellschaft, wie sie zum Beispiel in den 
                            legendären Entwürfen der Gruppe "Archigramm" Gestalt 
                            angenommen hat, kommt uns seltsam antiquiert vor. 
                            Die Propheten von "Plug-In Cities" und "Datasuits", 
                            die in den 60er Jahren die Entstehung der 
                            Hyperrealität vorhergeahnt und eine architektonisch 
                            - stadtplanerische Antwort darauf zu geben 
                            versuchten, können uns keine Antwort geben auf die 
                            erschreckende Realität der Neunziger, in denen nicht 
                            nur im Weltmaßstab, sondern in unseren Städten 
                            selber die Disparität der Lebensbedingungen 
                            zunehmend auseinanderklafft: in denen sich enormer 
                            Reichtum auf Gewinnerinseln ebenso akkumuliert wie 
                            ein Meer von Verlierern der Weltmarktkonkurrenz.
                             
                            4. Die 
                            monadische Phase ist eine transitorische
                             
                            Gerade unter den 
                            Bedingungen einer durch wirtschaftliche 
                            Globalisierungsprozesse verstärkten Unsicherheit, 
                            eines zunehmenden Auseinanderbrechens der einstmals 
                            so homogenen Außenwelt, dem verstärkten Kontrast 
                            zwischen den Gewinnern und Verlierern der globalen 
                            Marktwirtschaft, erscheinen "cocooning" und neues 
                            Biedermeier auf der Bildfläche, als ob "sich im 
                            nächsten Jahrtausend der durchschnittliche Städter 
                            ohnehin hinter seinen eigenen vier Wänden 
                            verbarrikadiert und mittels Satelitenantenne, Modem- 
                            und Faxanschluss mit der Umwelt nur mehr telematisch 
                            kommuniziert". 7
                             
                            Einiges von diesen Szenarien sehen wir heute schon 
                            in Metropolen der westlichen Welt vorweggenommen: 
                            Die "unsafe areas" auf der einen, die gutbewachten 
                            Ghettos der Reichen auf der anderen Seite, das 
                            verweifelte Suchen nach kultureller Identität auf 
                            beiden Seiten. Simulation scheint allenthalben zum 
                            Lebenszweck geworden zu sein, nicht nur bei den New 
                            Yorker Schwulen, die allwöchentlich auf ihren Bällen 
                            mit geklauten Klamotten darum konkurrieren, wer die 
                            von der Medienindustrie aufgebauten Lebensstile - 
                            von "Dynasty" bis zum "successful businessman" - in 
                            seiner Person am glaubhaftesten verkörpert. Robert 
                            Kurz spricht in seinem "Kollaps der Modernisierung" 
                            von der "monadischen Subjektivität", der mit der 
                            Strukturkrise der Arbeit (und, darauf aufgebaut,Geld, 
                            Familie,Politik etc.) sämtliche gesellschaftlichen 
                            Handlungsmöglichkeiten unter den Füßen weggezogen zu 
                            sein scheinen. Der Zerfall einer bestimten Form von 
                            Gesellschaftlichkeit erscheint als Zerfall von 
                            Gesellschaft überhaupt, und das Bild der 
                            Leibnitzschen Monade - jeder Mensch ausweglos 
                            eingeschlossen in eine Sphäre subjektiver Realität - 
                            paßt treffend auf diese Zeitbefindlichkeit.  
                            Es sind freilich Zweifel angebracht, ob die 
                            monadische Lebensform von Dauer ist. Die zunehmende 
                            Zahl der Single-Haushalte und die fundamentale 
                            Auflösung der funktionellen Geschlechterdifferenz 
                            kündigen wohl weniger einen neuen Lebensstil an als 
                            vielmehr die schlichte Unmöglichkeit, im 
                            biedermeierlichen Familienidyll der Auflösung der 
                            Arbeitsgesellschaft zu entkommen. Zu stark sind die 
                            wechselseitigen Anforderungen, einander die 
                            Sicherheit und den Halt zu geben, den die 
                            schwindende gesellschaftliche Form versagt. Die 
                            Ungesellschaftlichkeit der Monade ist zugleich 
                            Zufluchtsort und Quelle eines Leidensdruckes von 
                            eigentümlich moderner Qualität: sich in einem 
                            Universum menschlicher Möglichkeiten scheinbar frei 
                            entscheiden zu können, ohne daß eine davon wirklich 
                            konkrete, gesellschaftliche Gestalt annehmen würde. 
                            Die Telematik hat in diesem Kontext einen 
                            eigentümlichen Doppelcharakter. Sie kommt dem 
                            Bedürfnis nach Rückzug und Isolation entgegen, sie 
                            ist fast identisch mit den Schreiben eines 
                            Tagebuches. Zugleich eröffnet sie ein absolut 
                            neuartiges Kontinuum reichhaltigster 
                            gesellschaftlicher Kommunikation durch die 
                            scheinbare Vereinsamung hindurch: 
                            "Die virtuelle Gemeinschaft...die der amerikanische 
                            Soziologe Howard Rheingold jüngst anschaulich 
                            beschrieben hat, funktioniert so nach einem neuen 
                            Prinzip, das seiner Struktur nach paradox ist: die 
                            durch die digitale Technik erzwungene reale 
                            Isolation des Users ermöglicht eine virtuelle 
                            Kommunikation, die nach den Parametern Raum und Zeit 
                            alle bisherigen Kommunikationsformen übertrifft. 
                            Quasi autistisches Verhalten und intensivste 
                            Kommunikation fallen ineinander"
                            8 
                            Wenn diese Kommunikation zu "virtuellen 
                            Gemeinschaften" führt, dann könnte sich durch diese 
                            Virtualität hindurch auch ein Diskurs entfalten 
                            lassen, der sich in der gesellschaftlichen Realität 
                            manifestiert.  
                            "Die populäre Sorge, daß Computer und 
                            Telekommunikationsmittel uns den unmittelbaren 
                            persönlichen Face-to-Face Kontakt nehmen werden und 
                            menschliche Beziehungen noch künstlicher werden, 
                            diese Sorge ist naiv und vereinfachend. Es könnte 
                            genausogut umgekehrt kommen. Während einige Kontakte 
                            im Büro oder in der Fabrik weniger intensiv werden, 
                            könnten die Bindungen im Heim und in der 
                            Nachbarschaft durch diese Technologien vebessert 
                            werden. Computer und Kommunikation können uns sehr 
                            wohl helfen, Gemeinschaft zu bilden."
                            9 
                            Dieses Szenario eines "Global Village", einer 
                            durch digitale Kommunikationsmedien intensivierten 
                            und aufgewerteten physischen Lebensumgebung, gewinnt 
                            seine Wahrscheinlichkeit in dem Maße, in dem sich 
                            die arbeitsgesellschaftlichen sozialen und 
                            politischen Netze aufzulösen beginnen. Wo die 
                            globalen Pipelines mit Waren und Dienstleistungen 
                            aller Art überfüllt sind, ergibt sich die Chance, 
                            einen neuen nichtmonetären gesellschaftlichen Sektor 
                            zu schaffen, der nicht nur an die Stelle der nicht 
                            mehr finanzierbaren staatlichen Versorgungssysyeme 
                            tritt, sondern dessen Tätigkeiten fürsorgenden und 
                            gemeinschaftsbildenden Charakters eine neue Basis 
                            lokaler Lebensqualität bilden. Diese Tätigkeiten - 
                            Kinder- und Altenbetreuung, Gesundheitsvorsorge, 
                            lokale Kulturinitiativen, Betreuung lokaler 
                            Stoffkreisläufe, Spiritualität etc. - haben nicht 
                            den scharfen, distinktiven Charakter von "Arbeit" in 
                            Gegensatz zu "Freizeit", sie gründen sich auf 
                            lokalen Arrangements und Vernetzung und ihnen liegt 
                            das Bewußtsein zugrunde, daß Probleme lokal gelöst 
                            werden oder gar nicht.  
                            Die Informationstechnologien spielen in diesem 
                            Kontext eine dreifache Rolle: 
  
                            
                              - erstens erlauben 
                              sie es, daß die Zentren wirtschaftlicher Aktivität 
                              und die lokalen "dualen" Lebensräume überhaupt in 
                              eine ökonomische Beziehung treten können: durch 
                              Telearbeit lassen sich Segmente globaler 
                              Produktion (meistens handelt es sich um die 
                              immateriellen Tätigkeiten, doch deren Anteil an 
                              der Wertschöpfung steigt ständig) räumlich dorthin 
                              auslagern, wo stoffliche Ressourcen in reicherem 
                              Ausmaß vorhanden sind als in den städtischen 
                              Zentren.
 
  
                              - zweitens 
                              ermöglichen sie es, diese stofflichen Ressourcen 
                              in einer Art zu nützen, die einen Ausgleich für 
                              die stets schwindende Kaufkraft und 
                              Zahlungsfähigkeit der Gemeinde bedeutet. "Doing 
                              more with less", dieses Motto von Buckminster 
                              Fuller, bedeutet die ständig steigende Umsetzung 
                              von Wissen in Effizienz. Dieses Wissen ist global 
                              vorhanden, muß aber jeweils lokal realisiert 
                              werden.
 
  
                              - drittens 
                              schaffen die Informationstechnologien jene 
                              "kommunikative Dichte", die Austausch- und 
                              Koordinationsvorgänge im Mikrokosmos unserer 
                              Siedlungsräume mit minimaler Bürokratie erlaubt.
                              
 
                             
                            5. Der 
                            wahre Wert der Telekommunikationstechnologie liegt 
                            in der Erschließung mikrokosmischer Lebensräume.
                             
                            
                            Telekommunikationspolitik ist heute noch geprägt von 
                            industriegesellschaftlichen Zielen und 
                            Effizienzvorstellungen. Der "Aktionsplan für Europas 
                            Weg in die Informationsgesellschaft" der 
                            Europäischen Komission stützt sich auf das Weißbuch 
                            "Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung" und 
                            die Maxime, "daß Informations- und 
                            Kommunikationstechnologien und darauf basierende 
                            Dienste ein stetiges, anhaltendes Wachstum fördern, 
                            die Wettbewerbsfähigkeit steigern, neue 
                            Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen und die 
                            Lebensqualität aller Europäer verbessern können"
                            10 
                            Die Ideologie der "Wettbewerbsfähigkeit" 
                            übersieht, daß sie strukturell ihre eigenen 
                            Grundlagen untergräbt. "Wenn jeder mit jedem 
                            konkurriert, bricht früher oder später das System 
                            zusammen" 11. 
                            Nicht konkurrenzfähige Teile der Ökonomie werden 
                            geopfert, nicht konkurrenzfähige Regionen und 
                            Staaten werden marginalisiert, nicht warenförmige 
                            Ressourcen (vor allem die natürlichen 
                            Lebensgrundlagen) werden verschwendet.  
                            Die grundlegende Neuerung des Informationszeitalters 
                            ist nicht die Schaffung neuer Mittel im ökonomischen 
                            Wettbewerb; vielmehr ist die grundsätzliche Neuerung 
                            die Steigerung der Autonomiefähigkeit und somit das 
                            ziemlich genaue Gegenteil. In der "alten" Ökonomie 
                            ist materieller Export das Mittel des 
                            Reichtumserwerbs: am Schluß nur mehr für ganz wenige 
                            Gewinner. In der "neuen" Ökonomie des 
                            Informationszeitalters verwandelt Wissen 
                            Stofflichkeit. Anstatt Materie von einem Raum zum 
                            anderen zu bringen, um sie zu bearbeiten, wird von 
                            dem Umstand Gebrauch gemacht, daß Prozesse in 
                            beliebiger Komplexität raumübergreifend gesteuert 
                            werden können. Dann aber macht es erst recht Sinn, 
                            Materie nicht zu transportieren, sondern in mehr 
                            oder minder geschlossenen Kreisläufen an Ort und 
                            Stelle zu zirkulieren. Und im Unterschied zum 
                            gnadenlosen Wertgesetz der Industrieware - je mehr 
                            die Produktivität steigt, desto mehr sinkt der 
                            Warenwert - macht sich das Grundgesetz der neuen 
                            Ökonomie des Wissens geltend: je mehr das Wissen 
                            angewandt und verbreitet wird, umso mehr Werte 
                            schafft es. 12 
                            Die telekommunikativ vermittelte Hyperrealität und 
                            die ökologische Vernunft sind natürliche 
                            Bündnispartner. Die von der Arbeitsgesellschaft 
                            zurückgelassenen Freiräume und die prekäre Freizeit 
                            bieten eine Chance, dieses Bündnis in die Tat 
                            umzusetzen.  
                             
  
                             
                            
                            1 
                            "Die alten Technologien entfalteten ihre 
                            unmittelbare Wirkung nur am Ort ihres Seins. Die 
                            Bewegung eines Fahrzeuges ist an dessen Lokalisation 
                            gebunden. Die Kraft des Baggers verursacht genau 
                            dort auch ein Loch in der Erde. Die Prozesse, deren 
                            Verarbeitung Aufgabe der neuen Technologien ist, 
                            sind delokalisierbar, weil sie keinen im 
                            Koordinatensystem fixierten Ort haben. Alles ist 
                            immer, überall und jetzt. Computer haben die 
                            Funktion von Kapellen. Der Eintritt in die Kapelle 
                            führt immer zu derselben metaphysischen Sphäre." 
                            (Roland Alton-Scheidl et al., Technologische Kultur, 
                            Wien 1993, p.24) 
                            2 Es existieren 
                            durchaus ernstzunehmende Versuche, quasi einen 
                            Gegenbeweis anzutreten. So hat der Komponist 
                            Karlheinz Essl mit seiner "Lexikon-Sonate" einen 
                            hochkomplexen Algorithmus geschaffen, mittels dessen 
                            ein gewöhnlicher Personal Computer über alle unsere 
                            Zeitbezüge hinaus ständig neue Musik generiert, 
                            "komponiert". Permutationen, Variationen 
                            Zufallsgeneratoren vermögen auch innerhalb des 
                            abgeschlossenen Kontinuums der virtuellen Realität 
                            für gewisse Tiefe zu sorgen. Und doch wird uns erst 
                            durch derartige Vergleiche der informationelle 
                            Reichtum der uns umgebenden "physischen" Realität 
                            bewußt. 
                            3 John Battelle, "Seizing 
                            the next level - Sega's plan for World Domination" 
                            in Wired 1.6, Dezember 1993 
                            4 Es gibt übrigens 
                            schon eine "Internet Shopping Mall", in der 
                            besonders leichte Preisvergleiche, aber auch das 
                            Auffinden seltener Produkte möglich sind. .  
                            5 Jeremy Rifkin, 
                            After Work - a blueprint for social harmony in a 
                            world without jobs, in: Utne Reader No.69, May-June 
                            1995, p.53 
                            6 derselbe ebenda, 
                            p.56, ebenso die weiteren Zitate aus diesem Absatz. 
                            7 Thomas Proksch, 
                            "über den Traum von der ökologischen Stadt..." in: 
                            Perspektiven 6/7.1993, p.19 
                            8 Konrad Paul 
                            Liessmann, "Die neuen Medien und ihre Feinde", in: 
                            Raum, österreichische Zeitschrift für Raumplanung 
                            und Regionalpolitik, Nr.18,Juni 1995, p.29 
                            9 Alvyn Toffler, 
                            The third Wave, New York 1981,p.225 
                            10 Europas Weg in 
                            die Informationsgesellschaft, Brüssel, 19.7.1994, 
                            Einleitung 
                            11 Group of 
                            Lisbon, Limits to Competition, Lissabon 1993, p.125 
                            12 "With physical 
                            goods, there is a direct correlation between 
                            scarcity and value....the situation with information 
                            is often precisely the reverse. Most soft goods 
                            increase in value as they become more common." 
                            JohnPerry Barlow, the Economy of Ideas, Wired, March 
                            1994, p.126 
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