Einleitung zum Symposion Global
Village '95
Als John F. Kennedy zum
Präsidenten der USA gewählt wurde, dümpelte dieses
Land in jeder Hinsicht dahin. Kennedy suchte eine
Ñnationale Aufgabe" und fand sie im ehrgeizigen
Projekt, noch im selben Jahrzehnt einen US-Mann auf
dem Mond spazieren gehen zu lassen.
Auch nach seinem Tod ließ ihn die "Nation" nicht im
Stich und 1969 ñ also vor einem guten
Vierteljahrhundert ñ betrat tatsächlich ein Mann den
Mond. Einige sollten ihm folgen, doch bald ging dem
US-Raumfahrtprogramm die Luft aus, weil die
kritischer werdenden Bürger nach dem erd- besonders
aber menschenbezogenen Sinn darin suchten. Freilich:
Mitgetragen durch das Raumfahrtprogramm wurde eine
neue nachrichtentechnische Revolution entwickelt.
Die schwammerlartig auf den Dächern unserer Häuser
wuchernden TV-"Schüsseln" zeugen vom Siegeszug der
satellitengetragenen Kommunikation. Und auch die
Entwicklung im Datenverarbeitungsbereich frappiert
jeden Menschen, der noch die Ungetüme der ersten
Großrechenanlagen erlebt hat. Heute leistet jeder PC
mehr. Die Welt erlebte in den letzten Jahren einen
rasanten Wandel wie nie zuvor.
Als vor wenigen Jahren die Clinton-Administration
antrat, suchte sie ebenfalls eine visionäre Aufgabe.
Und US-Vize Al Gore propagierte den ÑData-Highway".
Aus der Ñnationalen" Aufgabe wurde eine globale
Aufgabe.
Und aus dem mehr oder minder staatlichen Programm
wurde ein vom Staat gefördertes
privatwirtschaftliches Rennen um die besten
Telekommunikationssysteme. Wurden einst Bahnen und
Autobahnen gebaut, um die Mobilität von Menschen und
Gütern zu erhöhen, sind es nun die Daten-Netze, in
denen man heute schon weltweit kommunizieren kann,
ohne seinen Bildschirm verlassen zu müssen.
Aus dem US-amerikanischen Projekt wurde mittlerweile
ein wirtschaftliches und nicht zuletzt politisches,
in dem sich alle hochentwickelten Länder der Welt
engagieren.
Und wie beim einst hochtrabenden Raumfahrtprogramm,
das ñ nach abenteuerlichen Ausflügen zu ÑStarwars"
mittlerweile auf die hauptsächlich friedliche
Nutzung des Weltalls und die Erforschung des
menschlichen Lebensraumes Erde ñ reduziert wurde,
stellen Kritiker bereits die Frage, wem das
weltweite Daten-Jonglieren denn eigentlich nützt.
Ohne auf diese Kritik hier eingehen zu wollen:
Gesellschaftspolitisch sind die Auswirkungen und
Möglichkeiten dieser neuen Revolution nicht einmal
ansatzweise erforscht, geschweige denn sind (gesellschafts)politische
Rezepte zum Umgang damit vorhanden.
Fragt sich also: Wie finden wir ins globale Dorf?
Oder: Wollen wir dort überhaupt hin?
Ich meine ja, denn das globale Dorf, selbst wenn
es eine virtuelle Welt ist, könnte auch zur Lösung
mancher Probleme beitragen. Weltweite Kommunikation
kann zur Überwindung Ñnationaler" Grenzen beitragen.
Die geballte Rechnerleistung dieser Welt ermöglicht
(theoretisch jedenfalls) jedem Menschen den Zugang
zum explodierenden Wissen dieser Welt. Und nicht
zuletzt könnte die neue Form des dezentralen
Arbeitens, das Ñtele-working", ganz gravierend in
die Verkehrssituation vor allem auch in
Ballungsräumen einwirken.
Als beispielsweise vor wenigen Jahren im Großraum
Los Angeles ein Erdbeben die Highways zerstörte und
damit den Individualverkehr lahmlegte, wurde
weltweit die Nachricht verbreitet, dies habe wenig
Auswirkungen auf das Leben der Riesenstadt gehabt,
weil die Ñcomputer" einfach vom Auto auf den PC
gewechselt seien. Ob dies eine gute PR-Aktion für
Gores "Super Highway" war oder nicht: Ñtele-working"
muß uns gesellschaftspolitisch wie vor allem auch
planerisch beschäftigen. Und weil Österreich mit
seinem Autobahnbau nie (oder fast nie) US-Vorbildern
nachgejagt ist, gehen wir es hierzulande auch in der
virtuellen Welt gemütlicher an. Niederösterreich
erklärt vorerst die Leitha-Kleinstadt zum ÑBruck an
der Leitung", weil dort der Einstieg ins globale
Dorf gesucht wird.
In Wien wollen wir vor allem die Stadtentwicklungen
im Norden dazu benutzen,
Ñtele-working"-Möglichkeiten zu erproben. Nicht in
die soziale Isolation des Heim-PCs wollen wir die
potentiellen ÑFern-ArbeiterInnen" schicken, sondern
vorerst kleinere Arbeitszentren in Wohnnähe
initiieren, um den Vorteil der Nähe zum Wohnort (und
damit einer Reduzierung der Verkehrsprobleme) mit
dem Vorteil auch sozialer Kontakte zu verbinden.
Was mich besonders freut, ist die Tatsache, daß die
engagierten OrganisatorInnen der ÑGlobal
Village"-Veranstaltungen diese neue Thematik von so
vielen Seiten aus beleuchten wollen, wie man dem
Programm entnehmen kann. Und ich möchte ihnen und
allen anderen Beteiligten danken dafür, daß sie uns
auf Wiener Großstadtboden diesen Einblick ins
virtuelle globale Dorf der Zukunft so eindrucksvoll
ermöglichen. Allen BesucherInnen und TeilnehmerInnen
an den vielen Veranstaltungen wünsche ich eine
spannende Auseinandersetzung mit dieser Thematik,
die für uns alle wohl bald zur Alltagsbeschäftigung
zählen wird. |