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                            I Urbane Umwelten - intelligente 
                            Ambiente 
                             
                            
                            Hegels Traum, intelligente Wesen in einem 
                            intelligenten Universum, erfuhr eine entscheidende 
                            Wende, als Leo Szilard seine berühmte Arbeit "Über 
                            die Entropieverminderung in einem thermodynamischen 
                            System bei Eingriffen intelligenter Wesen" 
                            veröffentlichte . Hier wurde nämlich nicht nur 
                            zwischen dem physikalischen Entropiebegriff und dem 
                            modernen Informationsbegriff eine präzise Beziehung 
                            hergestellt, sondern auch erstmals das Trauma von 
                            Maxwells Dämon klar formuliert, daß künstliche 
                            intelligente Wesen in einem dynamischen System 
                            intervenieren. Daraus entstand der Gedanke, daß 
                            künstliche intelligente Wesen in einem künstlichen 
                            System intelligent intervenieren können.  
                            Die 
                            Interaktion zwischen System und Systembewohnern in 
                            Form von Messungen, die zu Entropieverminderung und 
                            -erzeugung führen, liefert erste Modelle für 
                            künstliche Lebensvorgänge. Informationstheoretische 
                            Modelle haben bisher danach gezielt, herauszufinden, 
                            was bei Eingriffen, Steuerungen durch künstliche 
                            intelligente Wesen passiert und wie sich dadurch die 
                            Systeme ändern. Sich selbst steuernde Systeme waren 
                            der nächste Schritt, der das Schwergewicht auf die 
                            dynamischen Systeme selbst verlagerte. Nun ist die 
                            Frage, was passiert, wenn wir nicht die Intelligenz 
                            und Adaptivität der künstlichen Wesen steigern, 
                            sondern die Intelligenz der künstlichen Umgebung, 
                            bzw. ist die Frage, was passiert, wenn die 
                            natürliche Umgebung durch künstliche Intelligenz 
                            verbessert wird. Die natürliche Umgebung bleibt kein 
                            sich selbst überlassenes mechanisches System, 
                            sondern wird darauf abgerichtet, unsere 
                            Lebensvorgänge zu unterstützen. In die Umgebung w 
                            ird künstliche Intelligenz implantiert (Computer, 
                            Sensoren, Chips), wodurch die Umgebung reaktiver und 
                            ein Informationsaustausch möglich wird. Besonders 
                            die künstlichen Umgebungen des Menschen wie Stadt 
                            und Haus werden mit künstlicher Intelligenz 
                            ausgestattet. Die Stadt ist ein paradigmatisches 
                            Modell für ein dynamisches künstliches System, in 
                            dem intelligente Wesen intervenieren. Mit der 
                            fortschreitenden Technologisierung wird die Stadt 
                            immer mehr zu einem von der künstlichen Intelligenz 
                            der Computer unterstützten dynamischen künstlichen 
                            System (vom Straßenverkehr über das Reisebüro bis 
                            zum Terminal im Haushalt). Die Systembewohner, die 
                            Menschen in der Stadt, interagieren immer mehr mit 
                            einer computergesteuerten künstlichen Umwelt. Urbane 
                            Umwelten werden immer mehr zu intelligenten 
                            Ambienten.  
                            
                            Diese neue Vorstellung führt dazu, daß wir nicht 
                            mehr an zentrale, am cartesianischen Subjekt 
                            orientierte Steuermechanismen in Form menschlicher 
                            Körper denken, z.B. Roboter, welche mit gr0ßem 
                            Aufwand die verzweifelte Aufgabe übernehmen sollen, 
                            das multifunktionale komplexe Verhalten des Menschen 
                            zu imitieren, sondern daß wir an eine Vielzahl von 
                            kleinen "künstlichen Wesen" denken, die nur lokale 
                            Aufgaben erfüllen sollen. Die dezentralisierten 
                            modernen Technologien dezentralisieren die 
                            postmodernen Städte. Ein Schwarm von kleinen, mit 
                            Intelligenz begabten "künstlichen Wesen" sind in die 
                            Umgebung dezentral eingebettet und reagieren auf das 
                            Verhalten und die Bedürfnisse der Menschen, ob dies 
                            nun die Lampen in einem Gebäude oder die 
                            Verkehrssteuerung auf der Autobahn oder die 
                            Informationen im Datennetz sind. Verstreute Heere 
                            von "künstlichen Wesen" mit künstlicher Intelligenz 
                            steuern die Reaktionen der urbanen Umgebung und 
                            bilden somit insg esamt ein künstliches, mit 
                            künstlicher Intelligenz begabtes Ambiente. Dieses 
                            künstliche Ambiente umfaßt mehr als den Computer, 
                            aber es inkludiert die künstliche Intelligenz des 
                            Computers. Im intelligenten Ambiente wird der 
                            Computer fast unsichtbar. Er wird der unsichtbare 
                            Rechner, der die Sensoren-Technologie und das Reich 
                            der künstlichen Sinne unterstützt. Eine ausgebaute, 
                            im Environment implementierte, erweiterte 
                            Sensoren-Technologie, von der künstlichen 
                            Intelligenz des Computers unterstützt, wird auch das 
                            Human-Computer Interface, die Mensch-Maschine 
                            Schnittstelle ausdehnen und lockern. Die 
                            Schnittstelle arbeitet nicht mehr direkt und lokal, 
                            sondern telematisch und nichtlokal. Eine verstreute 
                            computerunterstützte Sensoren-Technologie und 
                            Millionen von Computer-Terminals bilden ein 
                            Schnittstellenfeld, das variabel und fast unsichtbar 
                            ist. Es breitet sich über die ganze Stadt aus. Die 
                            Stadt wird von der "industriellen Maschine" (Tony 
                            Garnier) zum digi talen Netz, dessen Trägermedium 
                            die Kabel in den Bauten oder elektromagnetische 
                            Wellen sind. Die elektromagnetischen Wellen als 
                            Bausteine transformieren die Stadt in eine terminal 
                            city.  
                            An 
                            künstlichen Umgebungen wie Flugzeug, Schiff, Auto, 
                            Wohnung, Satellit und deren Oberflächen bzw. 
                            Schnittstellen wie Multi- und Hypermedien, läßt sich 
                            deutlich zeigen, wie computergestützte künstliche 
                            Intelligenz und erweiterte Sensoren-Technologie 
                            diese verbessern können. Sie bilden Modelle für das 
                            Schwarm-Verhalten künstlicher intelligenter Wesen in 
                            einem künstlichen intelligenten Universum. Unsere 
                            Zivilisation bildet also intelligente Ambiente 
                            heraus, die nicht allein aus Computern bestehen, die 
                            uns bei vielfältigen Entscheidungsprozessen und 
                            Aufgaben helfen und in Zukunft auch mehr und mehr 
                            Maschinen bei ihren Aufgaben unterstützen werden, 
                            z.B. den Fernseh-Apparat beim interaktiven 
                            Fernsehen, bei Telebanking und -shopping, z.B. die 
                            Sehmaschinen der Unterhaltungsindustrie (Video games). 
                            Sondern intelligente Ambiente bestehen aus 
                            künstlichen Systemen, die mit Intelligenz begabt 
                            sind, und aus künstlichen intelligenten Wesen, die 
                            mit ihn en intervenieren und interagieren. Die 
                            künstlchen intelligenten Systeme bestehen natürlich 
                            selbst zum Teil aus künstlichen intelligenten Wesen. 
                            Wir müssen daher unterscheiden zwischen internen 
                            künstlichen intelligenten Wesen des Systems und 
                            externen. Der eingreifende Mensch wird selbst mit 
                            zum System gerechnet. Unsere Umgebung wird immer 
                            mehr aus solchen intelligenten Umwelten bestehen, 
                            die autonom handeln können. Künstliche intelligente 
                            Wesen in solchen künstlichen Systemen handeln wie 
                            autonome Agenten. Intelligente Ambiente sind also 
                            künstliche Umwelten, die künstliche Intelligenz 
                            besitzen. Die natürliche Umwelt, an die der Mensch 
                            sich angepaßt hat, verwandelt sich immer mehr in 
                            eine künstliche Umwelt, bestehend aus Medien und 
                            Maschinen, die sich an den Menschen anpassen und 
                            intervenieren können. Die intelligenten Umwelten aus 
                            computergestützten Maschinen, Medien, Multi- und 
                            Hypermedien werden immer komplexer, die künstlichen 
                            intelligenten Wesen in Form von Computern und 
                            computergestützten Sensoren und Produkten werden 
                            zahlreicher, sodaß der Mensch sogar intelligente 
                            Maschinen braucht, um mit der künstlichen 
                            intelligenten Maschinen- und Medienumgebung 
                            kommunizieren zu können. Die Technik verwandelt sich 
                            vom Prothesen-Park und Produkt-Ensemble zu einer 
                            umfassenden, vollständig vernetzten, künstlichen 
                            intelligenten Umwelt. Die interaktiven Modellwelten 
                            der Cyber Art und intelligente Gebäude zeigen en 
                            miniature diese grundlegende Veränderung unserer 
                            Umwelt zu Ende des 20. Jahrhunderts von einer 
                            natürlichen sich selbst überlassenen Umwelt zu einer 
                            künstlichen Umwelt, die künstliche Intelligenz 
                            besitzt, von einer passiven Umgebung zu einem 
                            interaktiven Partner 2. 
                            Die Stadt wird vor allem zu einer mit künstlicher 
                            Intelligenz begabten Maschinen- und Medienumgebung, 
                            zu einer vernetzten künstlichen intelligenten 
                            Umwelt.  
                            
                            II Virtuelle Architektur
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                            Der 
                            Begriff virtuelle Architektur läßt sich aus zwei 
                            Quellen erklären. Die eine ist die Schnittfläche von 
                            Architektur und Medien, die andere ist die 
                            Systemtheorie komplexen Verhaltens. Christopher G. 
                            Langton schreibt in der Einleitung zu dem von ihm 
                            herausgegebenen Buch "Artificial Life": "Die 
                            einfachste Art und Weise, zwischen linearen Systemen 
                            und nichtlinearen Systemen zu unterscheiden, ist 
                            darin zu sehen, daß bei linearen Systemen das 
                            Verhalten des Ganzen nur die Summe des Verhaltens 
                            der Teile ist, während bei nichtlinearen Systemen 
                            das Verhalten des Ganzen mehr ist als die Summe des 
                            Verhaltens der Teile." Diese Formulierung stammt aus 
                            der Einsicht, daß Leben nicht eine Eigenschaft der 
                            Materie ist, nicht etwas ist, das der Materie 
                            inhärent ist, sondern ein Resultat der Organisation 
                            der Materie, eine Eigenschaft der Form. Daher ist es 
                            bei Systemen einer bestimmten Komplexität - wie sie 
                            nichtlineare Systeme darstellen - nicht möglich, die 
                            Teile in Isolat ion zu analysieren und aus ihrer 
                            Kombination ein Verständnis des ganzen Systems zu 
                            gewinnen. Die wesentliche Eigenschaft bei 
                            nichtlinaren komplexen Systemen ist es, daß ihre 
                            primären Verhaltensweisen Eigenschaften sind, die 
                            aus der Interaktion zwischen den Teilen entspringen 
                            und nicht aus den Eigenschaften der Teile selbst. 
                            Diese systemcharakterisierenden Eigenschaften, die 
                            auf dieser Interaktion basieren, verschwinden daher 
                            notwendigerweise, wenn die Teile unabhängig 
                            voneinander studiert werden, da es nicht die Teile 
                            selbst sind, sondern nur ihre Interaktion, welche 
                            die Systemeigenschaften konstituieren. Daher werden 
                            diese Teile virtuelle Teile genannt. Bewohner und 
                            Werk sollten in einem Bauwerk solche virtuelle Teile 
                            eines komplexen Systems der Interaktion werden. Wenn 
                            man die physikalischen Teile isoliert, dann hören 
                            die virtuellen Teile auf zu existerien, denn die 
                            virtuellen Teile, die Verhaltensweisen, sind von den 
                            nichtlinearen Interaktionen zwischen den 
                            physikalischen Teilen in ihrer Existenz abhängig. 
                            Virtuelle Teile sind "die fundamentalen Atome und 
                            Moleküle des Verhaltens" (Ch.G.Langton)
                            4.  
                            
                            Dieser systemtheoretische Zugang zum Verhalten 
                            komplexer Systeme wird nun auf den Gebrauch von 
                            Architektur und Medien (visueller Information) 
                            übertragen. Der Bewohner und sein Environment, eine 
                            künstlich errichtete Architektur, sollen eine Art 
                            nichtlineares komplexes System darstellen, wo aus 
                            der Interaktion der architektonischen Module und des 
                            Betrachters ein lebendes System entsteht. Der 
                            Bewohner und die Architektur bilden also selbst 
                            virtuelle Teile eines dynamischen, flexiblen 
                            Systems. Die wesentlichen Eigenschaften entstehen in 
                            der Interaktion zwischen ihnen. Es kommt also bei 
                            dieser Architektur nicht auf die Materie an, sondern 
                            auf die Organisationsform. Architektur und Bewohner 
                            bilden durch ihre Interaktion ein System künstlichen 
                            Lebens. Die "programmierte Architektur" eines 
                            Leonardo Mosso (Turin) von 1969 hat bereits viele 
                            Positionen einer virtuellen Architektur 
                            eingefordert:  
                            
                              - 
                              
                              "für eine architektur als organismus   
                              - 
                              
                              für die selbstverwaltung der form   
                              - 
                              
                              das gedächtnis des computers   
                              - 
                              
                              für die programmierte   
                              - 
                              
                              und direkte von ihren bewohnern geformte stadt
                                
                              - 
                              
                              informativ unbestimmterweise programmierte 
                              architektur   
                              - 
                              
                              wo jeder teil des ganzen   
                              - 
                              
                              objektiv die gleiche bedeutung hat   
                              - 
                              
                              und folglich den gegenseitigen austausch im rahmen 
                              eines superkomplexen   
                              - 
                              
                              jedoch absolut kontrollierbaren systems mit 
                              möglichen mutationen akzeptiert"
                              5.   
                             
                            Er 
                            hat seine These auch auf ein "programmiertes 
                            stadt-territorium" ausgedehnt. Meine eigenen 
                            Versuche einer sich selbst programmierenden 
                            computergestützten Architektur, einer Architektur 
                            autonomer Agenten mit genetischen Algorithmen, 
                            weisen erstaunliche Ähnlichkeiten auf.  
                            
                            Diese Mathematisierungen des architektonischen 
                            Raumes hat in der postmodernen Architektur zu 
                            hochkomplexen geometrischen Gebilden und Gebäuden 
                            geführt, die unter Anwendung der 
                            Katastrophen-Theorie René Thoms und der Philosophie 
                            der Falte von Gilles Deleuze entstanden. Siehe die 
                            Architektur von Peter Eisenmann (Rebstock Park in 
                            Frankfurt, Alteka Bürogebäude in Tokyo), Frank Gehry 
                            & Philip Johnson (Lewis Residence in Cleveland), 
                            Frank Stella (Museum der Sammlung Hoffmann in 
                            Dresden), Bahran Shirdel (Nava Convention Center in 
                            Nava, Japan) 6. 
                            Dabei ist eine zweite Erfahrung der Theorie 
                            komplexen Verhaltens zu beachten, nämlich das 
                            Verlassen einer zentralen Kontrollmaschinerie. 
                            Komplexe Systeme - wie das Leben selbst oder die 
                            Intelligenz - haben den Begriff einer zentralen 
                            globalen Kontrolle dispensiert, wie z.B. eine 
                            rotierende Trommel oder einen Motor, und bauen auf 
                            Mechanismen einer verteilten Kontrolle des 
                            Verhaltens auf. Die lokale Bestimmung des Verhaltens 
                            mit lokalen Regeln ist f ür die Erzeugung komplexen 
                            Verhaltens eher geeignet als die Anwendung komplexer 
                            globaler Regeln. Es gibt kein Rom mehr als zentrale 
                            Instanz, sondern die postmoderne Welt besteht aus 
                            vielen lokalen dynamischen Systemen. Das hat den 
                            Vorteil, daß früher, wenn der zentrale Motor 
                            ausfiel, das Reich zusammenfiel, daß hingegen bei 
                            vielen lokalen Motoren ein System weiterlebt, auch 
                            wenn einige Motoren ausfallen. Das erklärt auch die 
                            Heterogenität unserer postmodernen Kultur, wo der 
                            Kosmos zu einer Art Konsum(Laden) wird. Früher, bei 
                            zentraler, globaler Kontrolle, war ein Kunstwerk von 
                            Michelangelo nur in der Metropole, z.B. in der 
                            Sixtinischen Kapelle, zu sehen, heute kann man ein 
                            Bild von Ad Reinhardt sowohl in New York wie auch in 
                            der sogenanten Provinz, z.B. in Baden bei Wien, 
                            hängen. Dieses scheinbare Chaos ist aber nur das 
                            Ergebnis der Virtualität des Verhaltens 
                            hochkomplexer Systeme. Bausysteme sollten von 
                            gleicher Komplexität sein und daher zum Beispiel die 
                            Struktur der Zentrik aufgeben.  
                            Die 
                            Video-Technologie zerstört mit ihren Rewind-, 
                            Forward- und Repeat-Tasten die lineare Zeit. Zeit 
                            wird im Video-Dom ein Muster kombinatorischer 
                            Fiktionen. Die Logik des Kombinatorischen erstreckt 
                            sich aber auch auf den Raum. Denn der Raum ist 
                            sozusagen der Leib der Zeit. Wird die Zeit 
                            fragmentarisiert, so auch der Raum. Zumal wir es in 
                            der elektronischen Techno-Welt ohnehin mit einem 
                            temporalisierten Raum zu tun haben, mit einem Raum, 
                            der in Zeiteinheiten (statt Raumeinheiten) gemessen 
                            wird. In dieser kombinatorischen Logik von spatialen 
                            und temporalen Mustern zersplittert, zerbricht die 
                            visuelle Pyramide und multipliziert sich zu einem 
                            Hyperkubus, zu einem Polyhedron, zu einem 
                            dekomponierten Torso, zu einem Rössler-Band oder 
                            einem anderen chaotischen Attraktor. Siehe den 
                            Dekostruktivismus in der Architektur.  
                            
                            Meine Absicht ist es also, Präliminarien zu einer 
                            virtuellen Architektur zu schaffen, welche einen 
                            zentralen Kontrollmechanismus mit globalen Regeln 
                            aufgegeben hat und eine lokale Determination des 
                            Verhaltens des Betrachters auf lokaler Ebene 
                            ermöglicht.  
                            Der 
                            berühmte, von Alexander Dorner initiierte "Raum der 
                            Abstrakten" von El Lissitzky im Sprengelmuseum 
                            Hannover (1927) ist ohne einen aktivierten, mobilen 
                            Betrachter in seiner Gestalt gar nicht erfaßbar. 
                            Alexander Dorner schrieb über "Die neue 
                            Raumvorstellung in der bildenen Kunst" bereits 1931: 
                            "Das traditionelle Raumbild ist das vor einem halben 
                            Jahrtausend geborene perspektivische, in dem von 
                            einem festen absoluten Standpunkt aus der Raum als 
                            unendliche, homogene, dreidimensionale Ausdehnung 
                            ... angesehen wird. Das entscheidende Novum des 
                            Kubismus ist die Verdrängung des absoluten 
                            Standpunkts durch den relativen. Die Künstler 
                            empfinden ... als das Wesentliche des Raumes ... 
                            seine unwirkliche Allseitigkeit ... und daß man im 
                            Raum wandern muß, um ihn wirklich dreidimensional zu 
                            erleben. So verschwindet im weiteren Verlauf der 
                            abstrakten Kunstentwicklung, so im späten 
                            Konstruktivismus, die absolute Ausdehnung der Körper 
                            (Lissitzky). Die Materie wird schlie&szli g;lich in 
                            reine Flächen und Linien aufgelöst, die, masselos 
                            und durchsichtig, sich durchdringen. So entsteht ... 
                            der Raum als Durchkreuzung von Bewegungs- und 
                            Energieströmen". Perspektive, Proportion und 
                            Skalierung werden zu frei flottierenden Werten. Die 
                            elektronische Architektur muß also davon ausgehen, 
                            daß in ihr die perzeptuelle Situation des 
                            Betrachters anders ist als in den Orten des realen 
                            Raumes und daß die neuen Raumvorstellungen, die 
                            durch eine zunehmend immaterielle visuelle Technik 
                            entstanden sind, in ihr selbst abgebildet werden 
                            müssen. Es wird also in der Tat Bewegungsströme des 
                            Betrachters als virtuellen Teil geben, wenn er im 
                            Raum oder im Bild (im Cyberspace) wandert und auf 
                            den masselosen und durchsichtigen Bildschirmen das 
                            Konzert der reinen Flächen und Linien erlebt. Es 
                            gibt in der virtuellen Architektur keinen festen 
                            absoluten Standpunkt, weder für den Benützer noch 
                            die Produkte. Der Ton kommt nicht mehr aus einer 
                            festen Quelle, sondern folgt dem Bewohner durch die 
                            Räume des Hauses. Körperlose Informationen 
                            durchdringen den Raum, die Sensoren schaffen eine 
                            "unwirkliche Allseitigkeit". Das Haus wird zu einem 
                            Datenanzug, de r lokal steuerbar ist: An jedem Ort 
                            des Hauses bin ich mit der Gesamtheit des Hauses in 
                            Kontakt, sogar außerhalb des Hauses. Das Gleiche 
                            gilt für die Stadt. Die Stadt wird zu einem 
                            Datenanzug, der lokal steuerbar ist: an jedem Ort 
                            der Stadt ist ihr Bewohner mit der Gesamtheit der 
                            Stadt in Kontakt, sogar außerhalb der Stadt. 
                             
                            In 
                            der idealen virtuellen Stadt (anders als in der 
                            perspektivisch beherrschten Citt Ideale der 
                            Renaissance) kann der Benützer frei umherwandern, 
                            seine Aufmerksamkeit darf oszillieren, sein Blick 
                            darf dezentriert abschweifen, und die visuelle 
                            Pyramide darf nach lokalen Bedürfnissen und Regeln 
                            verformt werden. Der Flaneur wird zum Datensurfer, 
                            zum Hitch-Hiker der Datenautobahnen. Der Bewohner 
                            interagiert in der virtuellen Stadt nach lokalen 
                            Regeln in einem nichtlinearen System. Stadt und 
                            Betrachter, Bewohner und Gebäude, sind also 
                            virtuelle Teile einer Interaktion, die der Dynamik 
                            der Isomorpie folgen.  
                            
                            Eine wahre mediale Architektur ist eine solche, die 
                            auf Interaktivität Wert legt. Wenn Stadt, 
                            Information und Benützer bewegliche virtuelle Teile 
                            eines komplexen dynamischen Systems bilden, das 
                            Zerstreuungen, Zufällen, Bifurkationen, 
                            Dezentralisierungen unterworfen ist, gilt diese 
                            Virtualität natürlich nicht nur für den Raum und für 
                            die Sehmaschinerie, sondern auch für die Zeit. Die 
                            Vision öffnet sich nicht nur dem virtuellen Raum, 
                            diesem Raum ohne Raum, diesem cartesianischen, 
                            mathematisierten Raum, sondern die Vision öffnet 
                            sich auch einer diachronen, virtuellen Zeit. 
                            Zufällige Irrfahrten auf dem feinen Gitter der Zeit 
                            und reversible Zeitreisen werden in der medialen 
                            Architektur möglich. Im virtuellen Techno-Raum 
                            entfaltet sich auch die Techno-Zeit, welche eine 
                            Maschinen-Zeit ist. Wie aber die Sehmaschine selbst 
                            als mechanisches System zerbrochen und bloß 
                            virtueller Teil innerhalb der Dynamik des Sehaktes 
                            geworden ist, so ist auch die Maschi nenzeit nur ein 
                            virtueller Teil der Thermodynamik des Sehens. Die 
                            Techno-Zeit ist also ebenfalls stochastisch, 
                            nonlinear, lokal.  
                            
                            Computeranimationen über stürzende Gegenstände, 
                            karambolierende Autos und andere Katastrophen der 
                            Schwerkraft können als künstlerische Experimente 
                            gegen die Schwerkraft verstanden und mit einer 
                            Architektur jenseits der Gravitation verglichen 
                            werden. Virtuelle Architektur ist also in der 
                            dekonstruktiven Architektur vorgezeichnet. 
                             
                            
                            III Online-Welten: Endophysik - der 
                            Raum des inneren Beobachters
                             
                            Die 
                            Frage, wie sieht eine Maschine oder ein System aus, 
                            wenn der Beobachter innerhalb dieser Maschine oder 
                            als Teil dieses Systems operiert, ist der 
                            Endo-Zugang zur Welt. Der Endo-Zugang bedeutet die 
                            Betrachtung der Welt als innerer Beobachter, 
                            bedeutet die Beobachter-Relativität der Welt, 
                            bedeutet, die unvollständige Beschreibung ihrer 
                            verzerrten und gekrümmten 
                            Gleichzeitigkeits-Hyperflächen zuzugeben. Die 
                            Elektronik legt diesen "endo-approach" zur Welt 
                            nahe. Echte elektronische Kunst geht daher nicht vom 
                            Raum der klassischen Physik, vom natürlichen Raum, 
                            vom Wahrnehmungsraum aus, sondern vom Raum der 
                            Endophysik, der Blindsicht-Experimente, der 
                            Simulation, der Virtualität. Die im Raum der 
                            klassischen Physik des 19. Jahrhunderts verankerte 
                            Skulptur geht von der Kontinuität, vom menschlichen 
                            Körper, von der vollständigen Sichtbarkeit aus. Die 
                            zeitgenössische Raumkunst hingegen geht von 
                            nichtlokalen Phänomenen, von der Maschine und vom 
                            dislozierten Gegenst and, von der Sprache, von der 
                            immateriellen Wellenform, von der Zahl, von den 
                            verzerrten und gekrümmten Raumschichten, von der 
                            Beobachter-Relativität aus. Die Elektronik bildet 
                            das Endo-Tor zur Welt. Nun bedarf es also einer 
                            Architektur, die das Endo-Tor zur elektronischen 
                            Welt benützt. Die Stadt im telematischen Raum des 
                            20. und 21. Jahrhunderts geht nicht vom Körper aus, 
                            nicht von der Kontinuität und von der vollständigen 
                            Sichtbarkeit, sondern von variablen Zonen der 
                            Visibilität, von der Diskontinuität, von der 
                            Sprache, von der Perforation, von nichtlokalen 
                            Phänomenen, von der Maschine und vom dislozierten 
                            Gegenstand, von der immateriellen Wellenform, von 
                            der Zahl, von den verzerrten und gekrümmten 
                            Raumschichten, von der Beobachter-Relativität.
                             
                            Der 
                            neue urbane Raum der elektronischen Welt separiert 
                            nicht mehr zwischen Außen- und Innenräumen, sondern 
                            in ihm sind Außen- und Innenräume perforiert, 
                            diskret durchdrungen. Der Raum des inneren 
                            Beobachters, der Endo-Raum, hat eine zweite 
                            exo-objektive Seite. Der Raum des äußeren 
                            Beobachters hat eine zweite endo-objektive Seite. 
                            Diese zwei Ebenen der Realität, Exo und Endo, als 
                            Produkt der Beobachter-Relativität der Welt, statt 
                            Außen und Innen, drehen Außenräume jederzeit in 
                            Innenräume um und umgekehrt. Die Wohnung wird zur 
                            Stadt, das Haus zur Wohnung, die Stadt zum Haus 
                            (siehe Frank Gehry). Die Hitch-Hiker und Hi-Jacker 
                            der Daten-Autobahnen surfen durch die globalen 
                            Netzwerke von Stadt zu Stadt. Sie leben im 
                            Schattenreich der Online-Worlds, als innere 
                            Beobachter im unsichtbaren Terrain der Daten, im 
                            Datenraum der Matrix, der endophysikalisch ist..
                             
                            
                            IV Viable Architektur
                             
                            
                            Hans Hollein hat 1968 in seinem Manifest "Alles ist 
                            Architektur" gefordert, die Architekten sollen 
                            endlich "aufhören, nur in Materialien zu denken". 
                            Ein Echo dieser utopischen Architektur, die niemand 
                            versucht hat, eingeschlossen ihn selbst, finden wir 
                            in der gegenwärtigen dekonstruktiven Architektur. 
                            Deren Kampf gegen die Schwerkraft, die Überwindung 
                            der Gesetze der Materie, ist noch ein Rest jener 
                            utopiesüchtigen Zeit. Die eigentliche Botschaft der 
                            Dekonstruktion wäre aber die Mathematisierung des 
                            Raumes als Teillösung einer Architektur der Medien. 
                            Der cartesianische Kubus, der Würfel, als Grundmodul 
                            der Architektur, wäre dabei zwar noch der 
                            Ausgangspunkt, erschiene aber als Objekt, das 
                            mathematisch transformierbar und verzerrbar wäre. 
                            Diese Transformationen hätten das Ziel, die 
                            statische Architektur zu immaterialisieren, d.h. in 
                            ein dynamisches System zu verwandeln, das 
                            kontextabhängig ist und lokal gesteuert werden kann. 
                            Die Architektur würde so zu einem Medium, das sich 
                            stets verändert, zeitlich und räumlich, eine 
                            kontextgesteuerte Ereigniswelt. Die üblichen 
                            Faktoren der Architektur, Energie, Wetter, Wärme, 
                            die üblichen Elemente Tür, Stiege, Fenster, Fassade 
                            würden zu Variablen, die selbst den Kontext bilden 
                            oder kontextuell gesteuert werden. Das Haus wird zu 
                            einer Schnittstelle zwischen Mensch und Umwelt, 
                            Architektur wird zu einer Interface-Technologie, 
                            welche die Frage beantwortet: wie kann ich die 
                            Bedürfnisse eines Bewohners, der selbst ein lokales 
                            Steuersystem darstellt, mit den variablen 
                            Schnittstellen zur Außenwelt (vom Fenster bis zum 
                            Telefon, von Menschen bis zu Wetter) möglichst 
                            mehrdimensional, multifunktional, intermedial 
                            verbinden. Aus der Variabilität der 
                            architektonischen Elemente, aus der Virtualität der 
                            gespeicherten Informationen erwüchse ein Gebäude, 
                            das lebensähnliches Verhalten zeigt: Viabilität. Das 
                            Gebäude als ein lebendes dynamisches System sollte 
                            sich aufgrund des Inputs der Bewohner und der Umwelt 
                            verändern können. Die viable Architektur ist eine 
                            Black Box, wo es die alte Gleichung zwischen Umwelt 
                            und Bewohner nicht mehr gibt. Der Benützer kann 
                            Input und Output sein, ebenso können das Haus und 
                            die Umgebung Input und Output sein. Durch diese 
                            mehrdimensionale Input-Output-Relation, deren 
                            Vorzeichen sich stets ändern, ändert sich aber auch 
                            die Struktur der Black Box; sie kann sich von einer 
                            Camera Obscura zu einer Camera Lucida verwandeln, 
                            von einer geschlossenen Black Box in einen offenen 
                            White Cube.  
                            Das 
                            Haus wird zum Interface zwischen Bewohner und 
                            Umwelt. Die Umwelt wird durch Computerunterstützung 
                            intelligenter. Die Architektur der Medien, der ich 
                            1989 den Namen virtuelle Architektur gab, war die 
                            erste Auflösung der Materialität der Architektur 
                            (3). Die Architektur sollte aus ihrer Invarianz 
                            erlöst werden, aus ihrer Trägheit. 
                            Beobachterrelativität, Kontextsteuerung und 
                            Schnittstellen-Interdependenz sollten die 
                            Architektur bestimmen. Das Haus sollte der Ort einer 
                            "intermedialen Aktivität" (G.J.Lischka) werden. Dies 
                            ist nur möglich durch den Einsatz von High-Tech und 
                            digitaler Technologie. Ein Auto weiß mehr über 
                            seinen und meinen Zustand als eine Wohnung. Im 
                            Grunde steht die Architektur hinter dem Küchenherd 
                            zurück. Die Architektur als Gehäuse beherbergt 
                            Geräte, die intelligenter sind als sie. Daher 
                            fordern wir intelligente Gebäude, Architektur als 
                            ein intelligentes Ambiente, das auf die lokalen 
                            Eingaben der Bewohner reagiert u nd intelligent 
                            Zustandsveränderungen durchführt. Interaktivität 
                            zwischen Bewohner und Architekten, beide als 
                            korrelierte Teile eines dynamischen Systems - das 
                            ist viable Architektur.  
                            
                            VilÇm Flusser hat in einem Referat zum 1. Symposium 
                            "Intelligent Building" in Karlsruhe 1989 über 
                            intelligente Gebäude aufklärend gesagt: "Die 
                            industrielle Revolution fußte auf wissenschaftlichen 
                            Theorien bei der Werkzeugerzeugung. Es gab aber 
                            damals keine verwendbaren Theorien für Belebtes: 
                            Ochsen konnten technisch nicht hergestellt werden. 
                            Darum begannen die Maschinen, die Schakale und 
                            Ochsen zu verdrängen. Jetzt beginnen wir, über 
                            Ansätze zu verwendbaren biologischen Theorien zu 
                            verfügen. Wir können jetzt zum Beispiel einige 
                            Funktionen des Nervensystems in Unbelebtem 
                            simulieren. Die Maschinen werden intelligenter. Das 
                            sind nur Ansätze, und bald werden wir auch belebte 
                            Werkzeuge herstellen können, künstliche Lebewesen. 
                            Gebäude waren bisher unbelebte Maschinen. Sie werden 
                            intelligenter werden. Man wird sich dessen bewußt 
                            werden, daß sie die Haut simulieren, und künstliche 
                            sensorische und motorische Nerven, künftig s ogar 
                            wahrscheinlich ein Zetralnervensystem in sie 
                            einbauen. Und in weiterer Zukunft wird man 
                            vielleicht künstliche Lebewesen bewohnen. Die 
                            Kommunikationsrevolution besteht im Grunde darin, 
                            daß die Empfänger von Informationen nicht mehr zum 
                            Sender gehen müssen, sondern daß die Informationen 
                            an die Empfänger geleitet werden. Man muß nicht mehr 
                            ins Theater, ins Parlament oder in die Schule gehen, 
                            sondern man kann fernsehen, Zeitung lesen, oder an 
                            einem Terminal lernen. Damit ist das öffentliche 
                            Gebäude (und Stadt, Politik überhaupt) überflüssig 
                            geworden. Und damit ist das Privatgebäude durch 
                            materielle und immaterielle Kabel durchbrochen 
                            worden, wird vom Öffentlichen überflutet. Die 
                            Kommunikationsrevolution hat zwei entgegengesetzte 
                            Schaltpläne entwickelt. Nach dem einen werden 
                            Informationen von einem Sender ausgestrahlt und vom 
                            frei in der Raumzeit schwebenden Empfänger 
                            aufgefangen (Beispiel: Zeitung, Radio, Fernsehen). 
                            Nach dem zweiten werden Informationen in einem Netz 
                            hergestellt und übertragen, dessen Knotenpunkte 
                            zugleich Sender sind und Empfänger (Beispiel: Post, 
                            Telefon, Minitel, bivalente Terminale). Die erste 
                            Schaltungsweise ist gegenwärtig vorwiegend, aber die 
                            zweite entspricht der Anthropologie, die oben 
                            vorgeführt wurde. Die künftigen Gebäudeentwürfe 
                            werden sich wohl an die zweite Schaltmethode zu 
                            halten haben und Knotenpunkte für ein dialogisches 
                            Netz zu entwerfen haben. Wie diese Gebäude aussehen 
                            werden (ob wie schwebende Eierschalen, ob wie 
                            pulsierende Mikroben, ob wie von einer 
                            elektro-magnetischen Haut umgebene 
                            Zentralnervensysteme) ist vorläufig unvorstellbar, 
                            und gar nicht so entscheidend."
                            7  
                            Wir 
                            bewegen uns zu langsam, daher haben wir das Auto; 
                            wir können nicht fliegen, daher bauen wir Flugzeuge; 
                            wir können nicht schnell und sicher genug rechnen, 
                            daher haben wir eine Rechenmaschine. Wir sind von 
                            Natur aus Behinderte, nur merken wir es nicht. Der 
                            sogenannte Behinderte ist nur ein Spezialfall, der 
                            diese allgemeine menschliche Bedingung der 
                            Behinderung sichtbar macht. Der Ursprung der Technik 
                            liegt in dieser universalen Bedingung des Mangels 
                            begründet. Die Technik bildet die Prothesen, welche 
                            die Defizite, Fehler, Mängel und Insuffizienzen des 
                            Menschen behebt. Der Behinderte ist also die 
                            zentrale Metapher für die Funktion der Technik, die 
                            darin besteht, dem Menschen dort weiterzuhelfen, wo 
                            die natürlichen Organe versagen. Der Physiker und 
                            Kosmologe Stephen Hawking ist das beste Beispiel 
                            dafür. Ohne die technischen Prothesen wäre dieser 
                            wunderbare Geist verloren. Die Technik wird 
                            avancierter und intelligenter, weil der Mensch mit 
                            zunehmender Komplexität s einer Umgebung immer mehr 
                            die Hilfe von intelligenten Maschinen braucht. Zumal 
                            die Umgebung selbst immer mehr aus diesen 
                            intelligenten Maschinen besteht. Dieses künstliche 
                            intelligente Environment und der Mensch werden zu 
                            einem dynamischen System der Kovarianz, wo die 
                            technischen Apparate und die Menschen Variable 
                            bilden, die sich gegenseitig beeinflußen. 
                             
                            J.C. 
                            Maxwell, der Entdecker der elektromagnetischen 
                            Wellen (1873), auf denen unsere ganze telematische 
                            Zivilisation aufgebaut ist, hat 1871 das erste 
                            künstliche intelligente Wesen beschrieben, ein 
                            hypothetisches Wesen von molekularer Größe, das in 
                            thermodynamischen Systemen selbständig interveniert. 
                            Bald wurde dieses hypotetische Wesen "Maxwells 
                            intelligenter Dämon" genannt. Die intelligenten 
                            Dämonen von heute heißen personal computers. Heute 
                            ist die künstliche Intelligenz der universalen 
                            Maschine namens Computer allgegenwärtig. Auch die 
                            Architektur realisiert, daß sie den 
                            Paradigmenwechsel vom mechanischen zum 
                            elektronischen Zeitalter vollziehen muß. Eine große 
                            Palette von computergesteuerten Produkten 
                            verschiedener Größenordnungen bildet heute ein 
                            Environment, das intelligentes Verhalten aufweist.
                             
                            Der 
                            Computer steuert mit seiner künstlichen Intelligenz 
                            das Verhalten der Umwelt, von der Telefonanlage bis 
                            zum intelligenten Gebäude. Er registriert unser 
                            Verhalten und reagiert darauf selbständig. Nicht nur 
                            wir passen sich der Umwelt an, sondern auch die 
                            Umwelt paßt sich uns an. Durch diese 
                            Adaptionsfunktion wird der Computer tendenziell 
                            unsichtbar. Er wird in die intelligenten Produkte 
                            (von der Waschmaschine bis zur Daten-Autobahn) und 
                            in die technische Umgebung so implantiert, daß 
                            dieses künstliche Environment uns als scheinbar 
                            natürlicher, weil lebender Organismus umgibt. 
                             
                            Die 
                            Flugzeug-, Auto- und Schiffindustrie haben zu 
                            Wasser, zu Lande und in der Luft, künstliche, vom 
                            Menschen gemachte und kontrollierte Environments auf 
                            außerordentlich hohem technischen Niveau gebaut. 
                            Ihre gegenwärtige Absatzkrise wird dazu führen, 
                            dieses technische Know-How auf andere Gebiete zu 
                            übertragen. Eine andere stabile Schutzhülle, 
                            vergleichbar den nomadischen Schutzhüllen Auto, 
                            Flieger, Schiff, wird davon profitieren: das Haus. 
                            Verglichen mit Flugzeugen, Autos, Schiffen, die 
                            interaktive Umgebungen darstellen, die auf den 
                            Menschen reagieren, ihm Mitteilungen sowohl über die 
                            Umgebung, den Zustand des Vehikels wie den 
                            Eigenzustand machen können, sind Häuser relativ 
                            simple Maschinen. Die interaktive 
                            Interface-Technologie wird in den nächsten Jahren 
                            auf die Architektur übertragen werden. Intelligente 
                            Gebäude mit lokalen Kontrollmechanismen werden 
                            autonom auf die Umwelt wie auf die Bewohner 
                            reagieren.  
                            Die 
                            Computerkultur steht vor einem neuen Schritt: das 
                            intelligente Ambiente, das intelligente Haus, die 
                            telematische Stadt. Als Ergebnis der globalen 
                            Vernetzung durch TV, Radio, Telefon, E-Mail, Fax 
                            etc. ist das Environment insgesamt dynamischer und 
                            nomadischer geworden. Doch ist bisher die 
                            Maschinen-Intelligenz meist dazu benützt worden, den 
                            Menschen zu verbessern. Hat man bisher intelligente 
                            Maschinen in den Menschen implantiert, so ist der 
                            nächste Schritt die Implantation der intelligenten 
                            Maschinen direkt in die reale Umgebung der Stadt, 
                            z.B. Steuerung des Verkehrs. Die 
                            Maschinen-Intelligenz wird die Umgebung verbessern, 
                            intelligenter machen. Dadurch wird die reale Umwelt 
                            dynamischer und interaktiver auf den Menschen 
                            eingehen. Nach dem computer aided design und der 
                            virtual reality kommt das computer aided environment 
                            und die intelligente, interaktive Umwelt, die von 
                            der künstlichen Intelligenz der vernetzten 
                            Computerterminals unterstützte Stadt: terminal city. 
                            Diese von Maschinen-Inte lligenz unterstützte urbane 
                            Umgebung wird intelligentes Ambiente heißen. Vom 
                            häuslichen Tron-Ambiente zur Tron-Stadt.  
                            
                            V Der Raum zwischen Tele und Tron: 
                            telematische Stadt und Tron-Haus
                             
                            Als 
                            im 19. Jahrhundert aufgrund der industriellen 
                            Revolution das Wachstum der Bevölkerung in den 
                            Städten explodierte und so die Basis für die moderne 
                            Massengesellschaft entstand, mußte zu 
                            wissenschaftlichen Methoden gegriffen werden, um das 
                            Wachstum und die Überlebenschancen der Städte 
                            steuern und garantieren zu können. Der Begriff 
                            Urbanismus, der um 1910 auftauchte, war der 
                            wissenschaftliche Versuch, die Stadt als 
                            hochkomplexe Maschine und als künstliches 
                            dynamisches System theoretisch und praktisch in den 
                            Griff zu bekommen. Es ließ sich nicht länger 
                            leugnen: das Diktat der Produktivität, unter das 
                            seit der industriellen Revolution alle 
                            Lebensbereiche gestellt wurden, hatte zu einer 
                            umfassenden Verstädterung der gesamten Gesellschaft 
                            geführt, in der die Stadt selbst eine Art zentrale 
                            Maschine darstellte.  
                            
                            Niemand kann die ungeheure Zahl von Operationen, die 
                            Tag und Nacht notwendig sind, um die Energie-, 
                            Material-, Nahrungs-, und Informationsversorgung von 
                            Millionen von Subjekten zu garantieren, allein 
                            leisten. Es können allerdings diese Operationen mit 
                            Hilfe von Maschinen koordiniert und synchronisiert 
                            werden, gleichsam zum Topos "Symphonie der 
                            Großstadt". Ja, man muß zugestehen, daß nur mit 
                            Hilfe der analogen und digitalen Maschinen - 
                            Produktionsmaschinen, Telemaschinen, 
                            Rechenmaschinen, usw. - diese Operationen überhaupt 
                            möglich sind. Die Reichweite und die Beschleunigung 
                            von Produktion, Kommunikation und Distribution, die 
                            für die Städte notwendig sind, kann nur mit Hilfe 
                            von Maschinen erfolgen. Dabei ist zwischen zwei 
                            Arten von Maschinen zu unterscheiden: den 
                            mechanischen, z.B. Auto, notwendig für den Transport 
                            von Gütern, und digitalen, z.B. Computer, notwendig 
                            für die Masse der Informationsverarbeitung. Den 
                            elektronischen Maschinen kommt dabei ein e immer 
                            größere, zentrale Bedeutung zu.  
                            Das 
                            Netzwerk von Computerterminals, Telefonen, 
                            Telegrafen, Textsystemen, Satelliten-TVs usw., auf 
                            dem unsere gesamte Kommunikation aufgebaut ist, 
                            stellt gleichsam eine orbitale Hülle bzw. Skulptur 
                            dar, ohne die unsere Zivilisation kollabieren würde, 
                            vor allem die Städte. Durch die allgegenwärtige 
                            Tele-Präsenz und globale Simultaneität, geschaffen 
                            durch die Telemaschinen und computergestützten 
                            Netzwerke, wird die Erde zu einem Herd, schrumpfen 
                            Kontinente zu Keksen. Kontinente werden zu Möbeln im 
                            Wohnzimmer Erde, Länder werden zu Tellern auf dem 
                            Tisch der Städte. Das weltweite Computernetzwerk 
                            Internet gibt es in 55 Ländern der Erde und es 
                            benützen 20 Millionen Menschen. Alles was man 
                            braucht, um diese Welt des elektronischen 
                            Informationsaustausches zu betreten, ist ein PC, ein 
                            Modem und eine Telefonleitung. Das Netsurfing im 
                            Cyberspace, in der verborgenen Welt der 
                            elektronischen Daten, geschieht nicht entlang einer 
                            Linie zwischen zwei Punkten wie bei m 
                            Kabelfernsehen, sondern von einem Ounkt gehen wie 
                            beim Telefon Linien zu Millionen Punkten in der 
                            Welt. Man ist eben Teil eines Netzes.  
                            
                            Wenn wir daran denken, wie sich die Kommunikation in 
                            kommenden Jahrhunderten von der globalen zur 
                            interstellaren Reichweite ausdehnt, bekommen wir 
                            einen Begriff von der digitalen Datenautobahn. Eine 
                            Vision dieser telekosmischen Kommunikation im 
                            dritten Jahrtausend ohne Fensehen und Telefon in 
                            ihrer heutigen Form, dafür mit Computer-Netzwerken 
                            leifert George Gilder in seinem Buch "Microcosm" 
                            (1989).  
                            
                            Wenn ohnehin alles nah wird, kann natürlich auch der 
                            Raum nicht mehr als Entfernung gemessen werden. Dann 
                            hat es wenig Sinn, vom Raum als Nähe und Ferne, als 
                            Distanz zu sprechen, dann verlieren die räumlichen 
                            Parameter ihren Sinn. Dann werden Tele (Ferne) und 
                            Tron (das Suffix "tr(on)" bedeutet Steigerung, 
                            Verstärkung) die neuen Parameter der Stadt. Tele und 
                            Tron ersetzen als elektronische Parameter das Nah 
                            und Fern der Städte. Sie sind die neuen, offenen, 
                            permissiven, perforierten Grenzen.  
                            Der 
                            virtuelle Raum, der gelöschte Raum der 
                            Telekommunikation, der heute die Stadt durchdringt, 
                            kann am besten durch die Entwicklung des orbitalen 
                            Blicks exemplifiziert werden.  
                            Im 
                            orbitalen Blick einer Satellitenkamera werden die 
                            Dinge kleiner, schrumpft der Raum, werden die 
                            natürlichen Skalierungen zerstört. Kontinete werden 
                            zu Briefmarken, der Globus wird zu einem Punkt. Eine 
                            Stadt schaut in der Luftaufnahme wie ein Mikrochip 
                            aus, und ein Mikrochip leistet in der Tat viele 
                            Operationen einer Stadtbevölkerung. Der Mikrochip 
                            ersetzt die Stadt und ist die Stadt. The city as 
                            chip, the chip as city.  
                            Als 
                            um 1900 die Wissenschaft des Urbanismus entstand, 
                            wurde gleichzeitig eine Entdeckung gemacht, welche 
                            die klassische Auffassung von Urbanismus als 
                            materiale und administrative Ordnung von Raum und 
                            Zeit, von Körper und Materie, bereits historisierte. 
                            1897 entdeckte nämlich John Joseph Thomson bei 
                            Experimenten mit Kathodenstrahlen in Vakuumröhren 
                            (von Crookes) einen Körper, der kleiner als ein Atom 
                            war. Dieser kleine Körper, ursprünglich von Thomson 
                            eben Korpuskel (Corpus, lt. der Körper) genannt, 
                            welcher die traditionelle Vorstellung von Materie 
                            vernichtete, war ein negatives Teilchen der 
                            Elektrizität und wurde daher später Elek-tron 
                            genannt. Der Tron-Wald wurde gesät.  
                            Der 
                            Tron-Wald, bestehend aus Elektron, Pliotron, 
                            Magnetron, Axiotron, Vapotron, Klystron, Zyklotron, 
                            Kosmotron usw., welcher für den gesamten 
                            Elektronikbereich, vom Haushalt bis zum Militär, von 
                            Television bis Radar, die nötigen technischen 
                            Voraussetzungen lieferte, wurde zum eigentlichen 
                            Grund und Boden jeder Stadt. So wie die Materie 
                            durch Atome durchlöchert war, so wurde die Stadt 
                            durch elektronische und elektrische Medien 
                            durchlöchert. Die Tron-City, der Tron-Urbanismus. 
                            Die Stadt lebte nicht nur von Verstärker- und 
                            Beschleunigerröhren, die Stadt wurde selbst zu einer 
                            Beschleunigerröhre mit Supraleitfähigkeit. Aus 
                            diesem Tron-Wald stammt auch das Arsenal der 
                            "intelligent warfare", der intelligenten 
                            Kriegsprodukte, von den Abhöranlagen bis zur 
                            Satellitenüberwachung.  
                            Die 
                            Leitfähigkeit der Stadt nahm zu, als 
                            Mikro-Elektronik und Miniaturisierung einsetzten. 
                            Transistoren ersetzten Röhren und Silizium, der 
                            grundlegende Halbleiter in Transistoren, wurde der 
                            neue Grundriß, Blueprint der Städte. Städte sind nur 
                            scheinbar auf Beton gebaut; viel wichtiger sind ihre 
                            Fundamente aus Silizium. Ohne die Technik der 
                            Transistoren, Halbleiter, Integrierten Schaltkreise 
                            und Chips würden die Millionen von Operationen, die 
                            eine Stadt ausmachen, nicht funktionieren und 
                            existieren. Chip-Architektur ist das neue Modell und 
                            die neue Skyline der Städte. Die intelligenten 
                            Tron-Häuser, die auch mit Vehikeln und Maschinen der 
                            Nanotechnologie arbeiten werden, liefern ebenfalls 
                            Raumvorstellungen ohne den Menschen als Maß und 
                            Modul (wie noch bei Le Corbusier).  
                            In 
                            Siliziumkristalle integrierte Schaltkreise, Chips 
                            von der Größe von Millimetern (Bruchteilen von 
                            Millimetern), enthalten mehrere tausend 
                            Transistoren. Abertausende von solchen Chips bilden 
                            die Bausteine, auf denen heute die Städte gebaut 
                            sind und in Zukunft die Häuser. Elektronisch 
                            gesteuerte und verwaltete Städte und von der Fassade 
                            bis zur Garage, vom WC bis zur Küche elektronisch 
                            gesteuerte Häuser, Tron-Häuser, bilden in Zukunft 
                            ein Konglomerat, ein künstliches intelligentes 
                            Ambiente. Computer und Fuzzy Logik helfen, diese 
                            Konglomerate, diese telematischen Tron-Häuser und 
                            Tron-Städte zu steuern. Städte und Häuser vernetzen 
                            sich immer mehr. Sie kommunizieren nicht mehr 
                            global, sondern orbital. Ein Netzwerk von Satelliten 
                            wird ein globales intelligentes Ambiente bilden, wie 
                            orbital ausgelagerte Bibliotheken, Kinos, Shopping 
                            Malls, Universitäten. Wer das Monopol auf diese 
                            orbitalen Kanäle und Infonetze, auf diese 
                            Datenautobahnen b esitzt, wird der Herrscher eines 
                            ungeheuren digitalen Imperiums sein.  
                            Die 
                            Information wird bloß der Quickwert der digitalen 
                            Tron-Trusts.  
                            Die 
                            beschleunigte Stadt, gebaut aus Siliziumkristallen, 
                            besteht aus realen und virtuellen Räumen. Die 
                            elektrischen Leitungen, die elektromagnetischen 
                            Wellen und die digitalen Netzwerke durchlöchern jede 
                            Stadt. Die virtuellen Räume der elektronischen 
                            Maschinen durchlöchern die materiellen realen Räume 
                            der Stadt. In jeder Stadt existiert eine virtuelle 
                            Stadt, ein urbaner digitaler Schatten. Dieses neue 
                            immaterielle Netzwerk ersetzt die Kanalisation als 
                            Wohnort. Die Kommunikation über dieses Schattenwerk 
                            ersetzt die Kommunikation über die Straße und die 
                            Plätze. Gerade diese elektronischen virtuellen Räume 
                            der Städte, wo imaginäre Reisen und symbolische 
                            Kommunikation möglich sind, sind die eigentlich 
                            urbanen Räume geworden, die eigentlichen Piazzas. 
                            CafÇ-Häuser werden zu Electronic CafÇs, wo Public 
                            Access Terminals (Tische mit eingebauten 
                            Computerterminals) Zugang zum digitalen vernetzten 
                            Schattenreich der Städte bilden: die Online- Worlds. 
                            Die Nachbarn leben nicht mehr lokal nebenan (neben 
                            der Wohnung, neben dem Haus), sondern leben 
                            irgendwo, aber sind nichtlokale Netz-Nachbarn. Die 
                            Gesprächspartner sitzen nicht mehr am gleichen Tisch 
                            im Kaffehaus, sondern irgendwo in der Welt, aber im 
                            Netz. Die digitalen Netzwelten bilden den 
                            eigentlichen telematischen Raum, bilden den neuen 
                            Urbanismus. Das Leben im Netz und in den 
                            Online-Welten wird das Leben in Discos, Restaurants 
                            etc. ergänzen. Knotenpunkte im Netz, 
                            Relais-Stationen der Kommunikation, sind die neuen 
                            Funktionen von Städen, Häusern, Wohnungen. Denn wir 
                            wohnen nicht mehr allein in Straßen, sondern auch in 
                            Kabelkanälen und Telegraphendrähten, in Faxmaschinen 
                            und im globalen Internet. Ob private oder 
                            kommerzielle Kommunikation, über unzählige 
                            Telefonleitungen, Fax- und Funk-Verbindungen und 
                            elektronische Netzwerke jeden Augenblick weltweit 
                            hundertmillionenfach ausgeübt, bildet dieser 
                            Datenverkehr die neue politische Organisationsform 
                            de r Stadt. Diese neue Politik ohne Polis, d.h. neue 
                            soziale Organisation des Zusammenlebens ohne die 
                            traditionellen Formen und Grenzen der Stadt, stellt 
                            die Demokratie vor neue Aufgaben. Denn die neuen 
                            Herrscher sind die Beherrscher der Netzwerke. Die 
                            Maut, welche die Herren der elektronischen 
                            Datenautobahnen pro Minute verlangen werden, wird 
                            ungeheuerlich sein, verglichen mit den Abgaben bei 
                            den Asphalt-Autobahnen. Hitch-Hiken im Datenraum 
                            wird schwer sein. Die Herrscher des digitalen 
                            Netz-Imperiums sind die künftigen Straßenräuber der 
                            Daten-Autobahnen, Hi-jacker der Communication 
                            Highways.  
                            
                            VI Technologie - Sprache der Absenz
                             
                            Aus 
                            einer gemeinsamen Wurzel, nämlich aus der Erfahrung 
                            des Mangels und aus der Sehnsucht nach der 
                            symbolischen Überwindung der Absenz, haben sich 
                            Sprache und Technologie entwickelt. Als "Sprache der 
                            Absenz" (S. Freud) setzt die Technik die Arbeit der 
                            Schrift fort. In der technischen Bildsprache, in der 
                            Polytropik der Elektronik-Kultur, die von der 
                            künstlichen Intelligenz zu den künstlichen Bildern 
                            reicht, kulminiert die Komplexität einer 
                            audiovisuellen Sprache, die der Komplexität der 
                            Techno-Gesellschaft angemessen ist. Die Erfindung 
                            der Schrift vor zirka 5000 Jahren war die erste 
                            Kommunikationsrevolution, weil hier erstmals die 
                            direkte lokale Kommunikation zwischen Personen, die 
                            isochron und isotop, also in der gleichen Zeit am 
                            gleichen Ort lebten, verlassen wurde, die bis dahin 
                            einzige Möglichkeit der Kommunikation war. Die 
                            Erfindung des Buchdrucks stellt die zweite 
                            Kommunikationsrevolution dar. Massenkommunikation 
                            wurde möglich. Das lokale Universum der Kommunikati 
                            on wurde auf indexikalischer Ebene, z.B. 
                            Rauchzeichen, Trommelgeräusche, aber frühzeitig 
                            durchbrochen. Die Medien haben aber durch ihre fast 
                            universelle Perforation des Raumes mittels 
                            elektromagnetischer Wellen (1887) eine Vielzahl von 
                            lokalen Universen insgesamt in ein Universum der 
                            Non-Lokalität transformiert, wo virtuell alles 
                            passieren kann. Dislokationen, Translokalisationen, 
                            Verzerrungen und Überwindungen von Raum und Zeit, 
                            wurden mit der Fähigkeit zur Symbolisation erstmals 
                            erreicht. Mit elektronischer Geschwindigkeit 
                            reisende Zeichen schaffen neue spatio-temporale 
                            Arrangements, wo die Zeit den Raum disloziert und 
                            einen ortlosen Raum schafft. Die Zeichen der 
                            dritten, der telematischen Kommunikationsrevolution 
                            sind durch die Trennung von (materieller) Bote und 
                            (immaterieller) Botschaft immaterieller und 
                            körperloser als die vorangehenden. Körperlose 
                            Kommunikation und Maschinenkommunikation wurde 
                            möglich. Dadurch werden die Grenzen von Raum und 
                            Zeit komprimiert ode r expandiert. 
                            Werkzeug-Technologie ist der Schlüssel zur 
                            mechanischen Evolution. Wir brauchen die Technologie 
                            zum Überleben: je gedrängter der Raum und je größer 
                            die Bevölkerung wird, desto notwendiger wird die 
                            Überlagerung und Simulation von Räumen, Zeiten und 
                            Körpern, damit eben mehrere Objekte und Subjekte an 
                            einem Ort gleichzeitig anwesend sein können. Die 
                            Technologie muß sich deshalb zur Tele-Technologie 
                            weiterentwickeln, die Werkzeuge zu Teleoperatoren 
                            und Telefaktoren, die Gesellschaft zur 
                            tele-technotronischen Zivilisation. Ebenso müssen 
                            sich die Werkzeuge der Kunst weiterentwickeln, will 
                            sie zu den Überlebensstrategien gehören.  
                            Der 
                            Vorstellung, daß Maschinen denken können, das heißt 
                            eigenständig Symbole verarbeiten und ihnen Sinn 
                            stiften können, was bisher als Privileg des Menschen 
                            galt, sind wir näher gerückt denn je. Turings 
                            universale Rechenmaschine, auf den binären Symbolen 
                            0 und 1 aufgebaut, die durch Nicht-Strom und Strom 
                            in Schaltkreisen gemäß der Algebra von George Boole 
                            abgebildet werden, ist in der Tat mit einem lebenden 
                            Organismus zu vergleichen, wenn selbständige 
                            Symbolverarbeitung zum Begriff des lebenden 
                            Organismus gehört. Selbständige Symbole sind in der 
                            Tat eine Sensation der Kulturgeschichte. Nicht mehr 
                            der Mensch malt Tiere oder Menschen an die Wände, 
                            sondern Maschinen malen selbständig Zeichen. Die 
                            Werkzeuge dienen nicht mehr dazu, den Willen des 
                            Menschen auszuführen und Zeichen zu materialisieren, 
                            zu realisieren, sondern die Werkzeuge setzen selbst 
                            Zeichen, und das Reich der Zeichen setzt selbst die 
                            Realität. Symbolverarbeite nde Maschinen wie der 
                            Computer haben die Zeichen zu autonomen Agenten 
                            gemacht. Die Maschinen bilden neue selbständige 
                            Modelle der Welt und der Werkzeuge. Die Kunst der 
                            Medien zeigt uns diesen neuen Abschnitt der 
                            autonomen symbolverarbeitenden Maschine. Die 
                            Werkzeugkultur ist in eine neue Phase getreten, in 
                            die Eigenwelt der Apparatewelt.  
                            
                            Werkzeuge sind nicht vor der Sprache entstanden und 
                            die Sprache nicht vor den Werkzeugen. Sondern die 
                            Sprache und die Werkzeuge haben eine gemeinsame 
                            Ursache: die menschliche Fähigkeit zur Symbolisation. 
                            Aus dieser gemeinsamen Wurzel haben sich die Sprache 
                            und die Technologie entwickelt. Insofern ist 
                            Werkzeugtechnologie, insbesondere jene Werkzeuge, 
                            die selbständig Symbole verarbeiten können wie die 
                            intelligenten Maschinen, der Schlüssel zur 
                            menschlichen Evolution. Werkzeugkultur ist immer 
                            Symbolkultur gewesen. Ohne Symbole keine 
                            Speichermöglichkeit, ohne Speicher bzw. Gedächtnis 
                            keine Erfahrung. Die Schrift ist der erste Speicher, 
                            der Computer vorläufig der letzte. Mit Hilfe der 
                            Schrift konnten räumliche und zeitliche Distanzen 
                            überbrückt werden. Entkörperlichte, 
                            entmaterialisierte Information konnte in Raum und 
                            Zeit herumgeschoben werden.  
                            Im 
                            elektromagnetischen Zeitalter (J.C.Maxwell, 1873) 
                            reisen die Zeichen mit elektronischer 
                            Geschwindigkeit frei und autonom. Die Zeichen der 
                            dritten digitalen Kommunikationsrevolution sind vom 
                            Menschen befreit und führen mit Hilfe der 
                            Zeichen-Automaten ihr Eigenleben. Die Werkzeuge 
                            haben sich emanzipiert und beginnen als 
                            symbolverarbeitende Maschinen ein eigenständiges 
                            Leben. Der Aufstieg der Werkzeuge zu 
                            symbolverarbeitenden Maschinen beendet das (letzte) 
                            Privileg und Monopol des Menschen.  
                            
                            VII Psycho-TechnÇ, 
                            Prothesen-Zivilisation
                             
                            Die 
                            technische Überwindung von Raum und Zeit bedeutet im 
                            Grunde auch Überwindung der Absenz. Die Medien 
                            werden zu einem zweiten virtuellen Körper, der den 
                            Menschen nie verläßt. Solange das Fernsehen läuft, 
                            solange ein Telefon noch als zweiter Mund sprechen 
                            kann, solange noch ein Foto Anwesenheit suggerieren 
                            kann, solange kann der Mensch seine Angst bannen und 
                            auch die verheerenden Folgen eines imaginären 
                            Kastrationskomplexes. Die Technik hilft, den Mangel, 
                            der durch die Absenz entsteht, symbolisch zu füllen 
                            und psychisch zu überwinden. Der virtuelle Körper 
                            der Medien, insbesondere der Tele-Medien bildet die 
                            telematische virtuelle Stadt aus, deren Baustein die 
                            elektromagnetischen Wellen oder Glasfaserkabel sind 
                            und deren Straßen und Plätze die Online-Netzwerke.
                             
                            
                            Alle Technik ist Tele-Technologie und dient der 
                            Überwindung räumlicher und zeitlicher Ferne. Die 
                            Überwindung von Distanz und Zeit ist aber nur ein 
                            phänomenologischer Aspekt der (Tele-)Medien. Der 
                            eigentliche Effekt der Medien liegt aber darin, die 
                            durch räumliche und zeitliche Ferne, durch alle 
                            Formen der Abwesenheit, des Fortseins, des 
                            Fernseins, des Verschwindens, des Abbrechens, des 
                            Entgehens, des Verlierens, des Entzugs, des Verlusts 
                            hervorgerufenen seelischen Störungen, Ängste, 
                            Kontroll-Mechanismen, Kastrationskomplexe usw. zu 
                            vermeiden, d.h. in der Überwindung (der Formen) der 
                            Ferne auch die von ihnen verursachten psychischen 
                            Störungen zu überwinden. Die technischen Medien, 
                            indem sie eben den negativen Horizont der 
                            Abwesenheit überwinden, abschliessen, werden zu 
                            Techniken der Sorge und der Anwesenheit. Indem sie 
                            das Abwesende imaginieren, symbolisch anwesend 
                            machen, verwandeln die Medien auch die schädlichen 
                            Folgen dieser Abwesenheit in lustvo lle Symptome. Im 
                            Überwinden von Distanz und Dauer, von Raum und Zeit, 
                            überwinden die Medien auch die Schrecken, welche 
                            diese auf die Psyche ausüben, die seelischen Defekte 
                            und Defizite der Absenz und des Mangels.  
                            
                            Alle Technologie ist daher auch Therapie- 
                            undProthesen-Technologie. Als Extension des Leibes 
                            (McLuhan) oder als Extinktion des Leibes (Baudrillard) 
                            handelt es sich bei Technologie stets um künstliche 
                            Organe, welche vom Gefängnis von Raum und Zeit 
                            befreien helfen. Die technischen Prothesen, die 
                            künstlichen Organe, steigern unzureichend vorhandene 
                            Fähigkeiten (wie Rechengenauigkeit oder Reichweite 
                            der Stimme: Computer/Telefon) oder ersetzen nicht 
                            vorhandene Fähigkeiten (vom Rollstuhl bis zum 
                            Hörgerät). Diese technischen Prothesen werden durch 
                            die künstliche Intelligenz des Computers immer 
                            vollkommener. Der Behinderte, der seit langem mit 
                            Hilfe von technischen Prothesen lebt, die seine 
                            fehlenden Funktionen ersetzen und ausgleichen, wird 
                            zu einer Modellfigur, die neues Licht auf das Ziel 
                            der technischen Zivilisation wirft. Wir sitzen 
                            angeschnallt im Rollstuhl, weil uns die Beine 
                            fehlen. Das fällt auf. Wir sitzen aber auch 
                            angeschnallt im Auto, weil unsere Beine nicht 
                            schnell genug sind. Wir sitzen angeschnallt im 
                            Flugzeug, weil wir keine Flügel haben. Wir sitzen 
                            angeschnallt im Boot, weil wir keine Flossen haben. 
                            Das fällt weniger auf, weil wir uns an unsere 
                            "natürlichen" Behinderungen gewöhnt haben. Aber aus 
                            Unbehagen und Unzufriedenheit haben wir Werkzeuge 
                            und Technologien entwickelt, um diese Behinderungen 
                            zu überwinden. Intelligente Produkte, intelligente 
                            Ambiente, intelligente Städte, die gesamte 
                            Technologie-Evolution zeigen, daß wir stets 
                            Behinderte sind, ohne es zu wissen.  
                            
                            Hegels Traum scheint sich zu erfüllen. Doch die 
                            intelligenten Wesen sind nicht wir Menschen, sondern 
                            Produkte von uns: künstliche intelligente Wesen. 
                            Auch das intelligente Universum ist nicht das, in 
                            dem wir leben, sondern wir schaffen es erst.   |