1.
Einleitung
In diesem Beitrag
wird untersucht, wie sich globale Computernetze wie
das Internet auf die räumliche Organisation der
Wirtschaft auswirken, welche Veränderungen in der
Struktur und im Interaktionsmuster der Unternehmen
dies nach sich ziehen wird und wie Städte davon
betroffen sein werden. Dabei wird versucht,
Kenntnisse im Umgang mit dem Internet und anderen
Telekommunikationsformen, Untersuchungen über deren
Auswirkungen auf verschiedene Organisationen und
theoretisches Wissen aus den
Wirtschaftswissenschaften, insbesondere aus den
Bereichen der Regionalökonomik und
Wirtschaftsgeographie zu verbinden. Dabei zeigt
sich, daß die rasante Entwicklung im Bereich der
Computernetze stark von Faktoren beeinflußt und
vorangetrieben wird, die in der Regionalökonomik
wohlbekannt sind und bereits eingehend untersucht
wurden. Allerdings bringt das Internet auch neue
Aspekte in die Entwicklung ein, die zu radikalen
Veränderungen in der räumlichen Organisation der
Wirtschaft und zu entsprechend radikalen
Auswirkungen auf einzelne Städte und Regionen, die
soziale Struktur und das politische Gefüge führen
könnten.
Wenn in diesem
Beitrag vom "Internet" gesprochen wird, so ist damit
nicht ausschließlich das auf TCP/IP basierende
globale Computernetz in seiner derzeitigen Form
gemeint. Da die Diskussion in diesem Beitrag an den
wichtigsten Eigenschaften und Funktionen dieses
Netzwerkes anknüpft, sind mit dem Begriff "Internet"
auch Weiterentwicklungen des derzeitigen Standards
gemeint und etwaige Konkurrenznetzwerke, die die
entsprechenden Funktionen in Zukunft erfüllen
werden. In eingeschränktem Sinne bezieht sich der
Begriff in diesem Beitrag auch auf Computernetze,
die nur in Teilbereichen Funktionen erfüllen, wie
sie am Internet (i.e.S.) bekannt sind, aber auf
anderen Übertragungsstandards basieren (etwa
Compuserve, America Online, BITNET etc. für E-Mail;
UUCP für NetNews). In diesem Zusammenhang verstehe
ich unter "Internet" also jenes Gefüge an
verbundenen Computernetzen, das Quarterman (1990)
als "Matrix" bezeichnet. Trotz dieser Unschärfe
ziehe ich den Ausdruck "Internet" möglichen anderen
Begriffen wie "globales Netzwerk",
"Telekommunikation", "Datahighway" usw. vor, weil er
auch darauf hinweist, daß die hier diskutierten
Einrichtungen und Funktionen bereits sehr real
existieren.
Neben der
Einleitung und einer abschließenden Zusammenfassung
gliedert sich dieser Beitrag in drei Abschnitte. Im
nächsten Abschnitt werden kurz
Entwicklung und Eigenschaften des Internet
diskutiert werden. Dabei stehen nicht die
technischen Eigenheiten im Zentrum des Interesses,
sondern die ökonomischen Besonderheiten des
Internet. Daran anschließend werden wir in
Abschnitt 3 zeigen, welche
wirtschaftlichen Konsequenzen diese Besonderheiten
des Internet nach sich ziehen. Dabei wird
argumentiert, daß sich das Internet und seine
Entwicklung in einen größeren Entwicklungsprozeß
einfügt, der zu einer globalen Wirtschaft und zur
Informationsgesellschaft führt. Anhand einiger
Unternehmensbereiche werden wir zeigen, welche
Konsequenzen die Verfügbarkeit des Internet für die
Unternehmen haben kann. In
Abschnitt 4 schließlich werden wir und den
räumlichen Konsequenzen des Entwicklungsprozesses
zuwenden. Dabei gehen wir aus der Sichtweise der
Stadt an die Analyse heran und untersuchen, welche
Implikationen sich für sie aus dem globalen
Entwicklungsprozeß ergeben und wie das Internet von
den Städten genutzt werden könnte, um den
notwendigen Umstrukturierungsprozeß zu meistern.
2.
Internet: Entwicklung und Eigenschaften
Die wohl wichtigste
Eigenschaft des Internet ist sein rasantes Wachstum.
Alle Indikatoren zeigen seit mehr als einem
Jahrzehnt ein exponentielles Wachstum an. Die
Zahl der Internet-Rechner verdoppelt sich
weltweit etwa jedes Jahr und lag Ende Jänner 1995
bei rund 4,8 Millionen (Abbildung
1). Über diesem Wert liegt derzeit die
Wachstumsrate in Europa (Quarterman, 1993) und bei
kommerziellen Benutzern. Im Oktober 1994 hatte in
den USA die Zahl der kommerziellen Rechner bereits
die Zahl jener im Ausbildungsbereich überholt.
Trotzdem hat sich ihre Zahl bis Jänner 1995
verdoppelt. Das Internet ist dabei, stärker
internationalisiert und kommerzialisiert zu werden.
Eine wichtige
treibende Kraft hinter dem rasanten Wachstum des
Internet sind positive Agglomerationseffekte;
Mechanismen, die in der Regionalökonomik auch für
die Entstehung und Entwicklung von Städten
verantwortlich gemacht werden. Als positive
Agglomerationseffekte wird jener Nutzen bezeichnet,
der sich aus der Ballung verschiedener Akteure und
Aktivitäten ergibt. Die höheren Umsätze und Gewinne
von Einzelhandelsbetrieben, die sich zu Shopping
Centers oder in Einkaufsstraßen versammeln, die
Möglichkeit der Spezialisierung im größeren Markt
einer Stadt, oder der größere Pool an qualifizierten
Arbeitskräften sind traditionelle Beispiele für
positive Agglomerationseffekte.
Die Attraktivität
des Internet liegt für neue Teilnehmer heute vor
allem darin, daß darüber rund 35-40 Millionen andere
Teilnehmer und eine große Zahl an
Informationsdiensten erreicht werden können. Neue
Teilnehmer machen das Internet aber ihrerseits
wiederum für andere Teilnehmer und für die Anbieter
von Informationsdiensten attraktiver. Auf diese Art
pushen einander Angebot und Nachfrage durch die
positiven Agglomerationseffekte und es kommt zu
einem zirkulär-kumulativen Wachstumsprozeß, wie wir
ihn in den letzten Jahren beobachten konnten.
Unterstützt wird
diese Entwicklung dadurch, daß die "Produkte", die
über das Internet transportiert werden (Information
und Software), in gewissem Umfang die Eigenschaften
öffentlicher Güter aufweisen. Ruft ein Benutzer die
Information eines Gopher-Servers, eines
Bibliothekkatalogs oder ein Softwareprogramm eines
FTP-Archivs1 ab, so
beschränkt er damit kaum2
die Möglichkeit anderer Benutzer, das selbe Produkt
zu beziehen. Anders als bei traditionellen Gütern,
muß die Information bzw. das Softwareprogramm nicht
neu produziert werden, damit ein anderer Benutzer
Nutzen daraus ziehen kann. Durch die elektronische
Speicherung sind die Produkte beliebig kopier- und
abrufbar3 und durch
das Internet auch weltweit zugänglich.
Ein weiterer
positiver Agglomerationseffekt, der wesentlich zum
Wachstum des Internet beiträgt, liegt in der
Kostenstruktur der zugrundeliegenden Infrastruktur
begründet. Der Betrieb des Internet bzw. eines
seiner Teilnetze verursacht in erster Linie
Fixkosten (Personal-, Hardware- und Leitungskosten),
also Kosten, die zumindest in einem bestimmten
Abschnitt der Kostenfunktion von der Menge der
übertragenen Informationseinheiten unabhängig sind.
Bei mehr übertragenen Informationseinheiten teilen
sich diese Kosten stärker auf und die Übertragung
einer Einheit wird damit billiger (MacKie-Mason,
Varian, 1993a,b). Daraus ergibt sich ein starker
ökonomischer Anreiz, möglichst viel Information zu
übertragen. Erst wenn die Kapazitätsgrenze der
eingesetzten Hardware oder der Leitungen erreicht
wird, springen die Kosten auf ein höheres Niveau,
auf dem wiederum die Kostendegression einsetzt. Bei
den Leitungskosten, einem wesentlichen Kostenfaktor,
fallen allerdings die Preisanstiege bei
Kapazitätserhöhungen der Leitungen kontinuierlich
hinter die Kapazitätszuwächse zurück, sodaß
beispielsweise die Übertragung einer
Informationseinheit auf einer voll ausgelasteten
T3-Leitung wesentlich billiger kommt, als auf einer
voll ausgelasteten T1-Leitung. Der bekannte
Preisverfall bei Computern und elektronischen
Bauteilen trägt zusätzlich zu dieser Kostenstruktur
bei und unterstützt so den Wachstumsprozeß des
Internet.
Allerdings weist
das Internet auch einige Eigenschaften auf, die
völlig neu sind und die es grundsätzlich von anderen
Arten der Infrastruktur unterscheiden. Hier ist
insbesondere seine weitgehende "Raumlosigkeit" zu
nennen. Wird ein Computer mit dem Internet
verbunden, so erhält er damit auf fast gleiche Weise
Zugang zu allen anderen Rechnern, egal wo sie sich
befinden. Da die Benutzungsgebühren derzeit für den
Zugang und eventuell die Benutzungsdauer berechnet
werden, nicht aber dafür, welche Entfernung in Netz
eine Nachricht zurücklegt, entstehen bei der
Benutzung des Internet praktisch keine
entfernungsabhängigen Kosten4.
Mit dem finanziellen Aufwand, der notwendig ist, um
die Verbindung zu einem Internetteilnehmer am
anderen Ende der Stadt herzustellen, bekommt man
Zugang zu allen anderen Internetteilnehmern, auch
wenn sie sich am anderen Ende der Welt befinden. Für
den Internetbenutzer wird physische Entfernung im
Laufe der Zeit zu einer ignorierbaren Größe.
Eine weitere
Eigenschaft, die das Internet von allen anderen
Kommunikationstechnologien unterscheidet, ist die,
daß es als einziges Masseninformations- und
-kommunikationssystem den Unterschied zwischen
Informationsanbieter und -nachfrager aufhebt. Jeder
Subskribient einer Diskussionsliste, jeder Leser von
NetNews, kann über diese Medien nicht nur
Informationen empfangen, sondern auch bereitstellen.
Für Benutzer mit einer permanenten
Internetverbindung ist das Betreiben eines Gopher-
oder WWW-Servers kaum schwieriger oder teurer, als
das Abrufen von Informationen über diese Dienste.
Jeder Benutzer, jede Gruppe, jedes Unternehmen mit
Zugang zum Internet kann damit nicht nur vom
gesamten globalen Netzwerk Informationen beziehen,
sondern seine bzw. ihre Informationen, Meinungen und
Ansichten auch am gesamten Internet verbreiten. Das
Netz stellt damit eine globale Öffentlichkeit dar,
deren Informationsfluß nicht kontrolliert werden
kann. Neben wirtschaftlichen hat dies vor allem
erhebliche politische Konsequenzen.
3.
Wirtschaftliche Konsequenzen des Internet
Das Wachstum des Internet wäre wohl kaum so rasch
verlaufen, wenn nicht "die Zeit dafür reif" wäre.
Die Entwicklung der Netzwerktechnologie und des
Internet reiht sich ein in einen größeren
Entwicklungsprozeß, der erst den Bedarf nach einem
globalen elektronischen Kommunikationsmedium
geschaffen hat, zugleich aber von den Möglichkeiten,
die das Internet bietet, weiter vorangetrieben wird.
Einige der wichtigsten Aspekte dieses
Entwicklungsprozesses sind:
-
Wachsende Bedeutung der Informationswirtschaft
Nach einer massiven Verschiebung des
wirtschaftlichen Schwerpunkts von der
Landwirtschaft zum sekundären Sektor im Zuge der
Industrialisierung, verlagert sich in den letzten
Jahrzehnten das Gewicht immer mehr zum tertiären
Sektor. Ein erheblicher und ständig wachsender
Teil dieses Sektors ist primär mit der
Verarbeitung und Aufbereitung von Information in
verschiedener Form beschäftigt. Aufgrund
unterschiedlicher Standortvoraussetzungen der
Sektoren ist dieser Prozeß in den größeren Städten
am stärksten fortgeschritten.
- Die
elektronische Revolution
Die Verbreitung der Computertechnik und die
Integration billiger elektronischer Bauteile in
verschiedene Maschinen führen zu einer
Automatisierung dispositiver und administrativer
Tätigkeiten. Nach der manuellen Arbeit wird nun
auch ein großer Teil der geistigen Arbeit von
Maschinen übernommen. Zugleich führt diese
Entwicklung dazu, daß immer mehr Information
zumindest in irgendeinem Stadium ihrer
Verarbeitung in digitaler Form vorliegt.
-
Globalisierung der Wirtschaft
Beträchtliche Teile der Wirtschaft agieren heute,
nach den umfangreichen Firmenübernahmen und
-zusammenschlüssen der 80-er Jahre, auf einer
weltweiten Basis. Dies führt zu einer Struktur,
die Castells (1993) als "global economy"
bezeichnet. "It is an economy where capital flows,
labour markets, commodity markets, information,
raw materials, management, and organization are
internationalized and fully interdependent
throughout the planet". Die Unternehmen der
"global economy" haben in allen Teilen der Welt
Aktivitäten zu koordinieren und Entwicklungen zu
beobachten.
Durch die
Globalisierung der Wirtschaft, die in Europa
beispielsweise in der europäischen Integration ein
deutlich sichtbares Zeichen findet, erhöht sich in
fast allen Teilbereichen der Konkurrenzdruck.
Geschützte Märkte brechen auf, hohe Gewinnspannen
ziehen Konkurrenten an. Zugleich beschleunigt sich,
bedingt auch durch die elektronische Revolution, der
technische Wandlungsprozeß. Neue Produkte, die von
einem Unternehmen entwickelt wurden, müssen nun
möglichst rasch und auf globaler Front auf den Markt
gebracht werden, weil sonst die Gefahr besteht, daß
ein Konkurrent schneller den Markt erobert hat und
sich so die Entwicklungskosten nicht mehr
amortisieren können. Fehler in der
Marketingstrategie, im Produktdesign, in der
Werbestrategie, etc. sind in diesem raschen Ablauf
oft nicht mehr korrigierbar und können so den Erfolg
eines Produktes oder gar den Unternehmens gefährden.
Durch diese
Verkürzung der Lebensdauer der Produkte am Markt
erhöhen sich das Risiko (technologisch,
investitions- und marktbezogen) erheblich. Da hohe
Gewinne durch die verschärfte Konkurrenz am Markt
rasch zunichte gemacht werden, stehen die
Unternehmen unter verstärktem Druck möglichst
effizient zu produzieren. Geringere Stabilität
sowohl der technologischen Entwicklung als auch der
Entwicklung der Nachfrage erfordern von den
Unternehmen größere Flexibilität in ihrer internen
Organisation. "Lean production", "lean management",
"flexible specialization", "just-in-time" und "outsourcing"
sind daher wichtige Organisationsstrategien der
globalen Unternehmen (Davidow, Malone, 1992).
Aufgrund des Effizienzdrucks versuchen sie auch,
einzelne Teile der Produktionskette an den jeweils
am besten geeigneten Standorten anzusiedeln. Risken
werden durch Kooperationen in besonders riskanten
oder kostenintensiven Teilbereichen (z.B. bei
Produktentwicklung oder beim Vertrieb) oder durch
strengere Qualitätsnormen, die sich auch auf vor-
und nachgelagerte Unternehmen ausdehnen, reduziert.
In verstärktem Umfang sind die Unternehmen in
formelle und informelle Kooperationen, sogenannte
Unternehmensnetzwerke, eingebunden, die neben
privaten Unternehmen auch staatliche und
halbstaatliche Einrichtungen auf unterschiedlichen
räumlichen Ebenen umfassen können (siehe etwa
Tödtling 1994). Diese Unternehmensnetzwerke
repräsentieren vor allem wichtige Informationskanäle
und Transmissionsmechanismen für Innovationen. Sie
können sehr unterschiedliche räumliche Ausdehnung
haben, von lokal und regional, wie etwa im Fall des
"3. Italien", bis zu global. Unternehmen, die in
mehrere Unternehmensnetzwerke integriert sind,
fungieren oft als "Gateways" zwischen den Teilnetzen
und übertragen so Informationen und
Innovationsimpulse zwischen diesen. In räumlicher
Hinsicht stellen sie den Mittler zwischen der
globalen und der regionalen Entwicklung her.
Alle diese
Entwicklungen führen dazu, daß Informationen (über
die technologische Entwicklung, über Veränderungen
am Markt) für die Unternehmen heute wichtiger sind
und sie diese rascher benötigen als früher. Zugleich
stehen die Unternehmen der "global economy" vor der
Notwendigkeit, eine große Zahl an räumlich weit
verstreuten Standorten - als Teilbereiche des
Unternehmens oder als mit dem Unternehmen
organisatorisch verflochtene selbständige
Unternehmen - zu koordinieren und mit diesen
effizient zu kommunizieren. Mit der Entwicklung des
Internet bietet sich den Unternehmen der "global
economy" ein Instrument, das diese Informations-,
Kommunikations- und Koordinationsaufgabe wesentlich
erleichtern und verbilligen kann. Das Internet kann
in allen Teilbereichen, insbesondere den
informationsintensiven der Unternehmenstätigkeit
eingesetzt werden. Dieser Einsatz kann massive
Auswirkungen auf die Unternehmensstrategie und das
Standortverhalten haben. Einige dieser Teilbereiche
sollen nachfolgend kurz diskutiert werden.
Unternehmensinterne Koordination und Kommunikation
Große
multinationale Konzerne bedienen sich bereits seit
längerer Zeit der Telekommunikation als Instrument
der internen Koordination und Kommunikation. Viele
von ihnen betreiben unternehmensinterne
Computernetzwerke von beträchtlicher Ausdehnung, die
aber traditionellerweise mit der Außenwelt nicht in
Verbindung stehen (Cronin, 1994). Das Internet
bietet diesen Unternehmen vor allem zwei Vorteile:
erstens kommt die Mitbenutzung des öffentlichen
Netzwerks billiger als der Betrieb eines eigenen
Netzes und, zweitens, wird durch die Benutzung des
Internet die Barriere zwischen unternehmensintern
und -extern verringert. Damit wird es beispielsweise
für als "profit centers" installierte Teilbereiche
des Unternehmens leichter, externe Bezugsquellen zu
nutzen. Außerdem wird die Gefahr der Ausbildung
einer unzeitgemäßen Unternehmenskultur dadurch
verringert.
Zentrales Problem
in diesem Bereich sind natürlich Fragen der
Zugriffs- und Übertragungssicherheit, auf die hier
nicht eingegangen werden soll.
Das Internet stellt
im Bereich der unternehmensinternen Koordination und
Kommunikation allerdings nicht nur eine billigere
und durchlässigere Alternative zum Betrieb eines
eigenen Netzwerks für Großunternehmen dar, sondern
es ermöglicht erstmals auch kleineren Unternehmen
diese Möglichkeiten und erleichtert ihnen damit die
räumliche Spezialisierung. Auch kleineren
Unternehmen, die bisher nur an einem Standort
angesiedelt waren und diesen daher als Kompromiß der
Standortanforderungen einzelner Teilbereiche
(Produktion, Vertrieb, Verwaltung, etc.) wählen
mußten, ermöglicht das Internet mit relativ geringen
Kosten eine standörtliche Spezialisierung. Wegen der
oben diskutierten Kostenstruktur des Internet sind
die Kosten der elektronischen Integration einzelner
Unternehmensteile über dieses Netzwerk weitgehend
entfernungsunabhängig. Damit werden Unternehmen -
große wie kleine - bei der Auslagerung von
Unternehmensteilen räumlich wesentlich mobiler. Für
ein Unternehmen, das die unternehmensinterne
Koordination und Kommunikation über das Internet
abwickelt, ist die Frage, ob an einem Standort ein
effizienter Zugang zum Internet möglich ist,
wesentlich wichtiger, als die, wie weit der Standort
von anderen Unternehmensstandorten entfernt ist5.
An die Stelle der physischen Agglomeration zwischen
den Unternehmensteilen tritt damit die virtuelle
Agglomeration im Internet.
Absatz
Für Unternehmen,
die elektronisch transprotierbare Produkte
vertreiben, stellt das Internet ein effizientes
potentielles Vertriebsmedium dar. Anstatt ein teures
Netz von Vertriebsstellen oder Vertragspartnern
aufzubauen und zu betreuen, speichern diese
Unternehmen ihre Produkte auf einem Dateiserver und
erlauben ihren Kunden den Zugriff auf diesen
Rechner. Neben dem einfachen Vertriebsweg bietet
diese Variante noch zwei weitere Vorteile, nämlich
daß auf diese Art ein globaler Markt beliefert
werden kann und daß das technologische Risiko damit
verringert werden kann. Dadurch, daß über das
Internet ein globaler Markt beliefert werden kann,
sind Spezialisierungen möglich, für die bei
traditionellen, teuren Vertriebswegen keine
Stückzahlen für eine gewinnbringende Produktion
erreicht werden könnten. McAffee Associates, ein
Produzent von Virenschutz- Software, wickelt
praktisch seinen gesamten Vertrieb über das Internet
ab, wobei die Kosten für Produktion, Verpackung und
Versand minimal sind. Trotz dieses ungewöhnlichen
Vertriebswegs konnte das Unternehmen seine
Netto-Einnahmen zwischen 1990 und 1992 von $1,5 auf
$13,6 steigern. Die Verringerung des technologischen
Risikos ergibt sich daraus, daß das Unternehmen das
auf dem Dateiserver bereitgestellte Produkt
jederzeit verbessern kann. Es kann so sehr rasch auf
technische Veränderungen und Änderungen bei
Konkurrenzprodukten reagieren, ohne auf unverkaufte
Auflagen Rücksicht nehmen oder Lagerbestände
abschreiben zu müssen.
Die Möglichkeit des
Vertriebs über das Internet besteht natürlich in
erster Linie für Computersoftware, doch sollte sie
auch für andere Produkte nicht unterschätzt werden;
etwa für Bücher und Zeitschriften, Bilder und -
entsprechende Übertragungskapazitäten vorausgesetzt
- Videos.
Probleme ergeben
sich in diesem Bereich vorallem dabei, die Bezahlung
der Leistung sicherzustellen. Hier fehlen heute
einerseits noch die entsprechenden
Autentizierungsmechanismen (elektronische
Unterschrift) und eine effiziente Möglichkeit,
kleine Geldbeträge global einzukassieren
(Internet-Bank). Das größte Potential für einen
Vertrieb über das Internet liegt derzeit daher dort,
wo das Endprodukt ohnedies nicht verkauft, sondern
nur vertrieben werden soll (z.B. Freeware-Software,
Informationsbroschüren). Hier kommen die Vorteile
des billigen Vertriebs (etwa über FTP, Gopher oder
WWW) voll zum Tragen.
Eine andere
Möglichkeit, das Internet für den Vertrieb zu
nutzen, besteht darin, Bestellungen über das
Internet zuzulassen. Das Internet ersetzt dabei die
telefonische Bestellung, die Auslieferung des
Produkts erfolgt jedoch über die traditionellen
Kanäle (z.B. Postversand). Die Vorteile liegen hier
einerseits in der Möglichkeit, die eingehende
Bestellung elektronisch weiter zu verarbeiten, und
andererseits wiederum im größeren Markt, der eine
größere Spezialisierung bzw. Sortimentstiefe
erlaubt. Beim Einsatz von WWW kann diese
Bestellfunktion übrigens direkt mit einem
elektronischen Produktkatalog verbunden werden.
Beispiele für Unternehmen, die diese Strategie
eingeschlagen haben, sind etwa CD-NOW, ein
Unternehmen das Compact Discs vertreibt (http://cdnow.com),
und 2(x)ist, ein Anbieter von Unterwäsche (http://www.digex.net/2xist.html).
Marketing
und Kundenbetreuung
Eng mit der zuvor
diskutierten Unternehmensfunktion sind die
Möglichkeiten verbunden, die das Internet für
Marketing und Kundenbetreuung bietet. Vorallem in
den Anfangszeiten der kommerziellen Nutzung des
Internet kann alleine die Präsenz eines Unternehmens
in diesem Medium schon imagefördernd sein; umso
mehr, wenn es das Unternehmen versteht, die
Möglichkeiten des Internet dem Medium adäquat und
zum Vorteil seiner Kunden einzusetzen.
Die einfachste
Möglichkeit ist hier die Erstellung einer
elektronischen Informationsbroschüre etwa am WWW.
Dabei wird allerdings häufig vergessen, dem Benutzer
(Kunden) die Möglichkeit für Anfragen und Feedback
einzuräumen. Die Möglichkeit bi-direktionaler
Kommunikation am Internet ermöglicht eine bessere
Betreuung des Kunden und damit positive Imageeffekte
und eine engere Bindung des Kunden an das
Unternehmen.
Eine besondere Form
der Öffentlichkeitsarbeit und Kundenbetreuung
ermöglichen produkt- oder unternehmensbezogene
Diskussionslisten und Newsgroups. Sie bieten eine
permanente öffentliche Diskussion und Bewertung der
Vor- und Nachteile der Produkte des Unternehmens und
können dazu dienen, neue Produkte zu lancieren,
Probleme frühzeitig zu erkennen, den Benutzer bei
Problemen zu unterstützen, etc. Diese Möglichkeiten
werden v.a. von Softwarefirmen wie Microsoft, Novell
und SAS Institute intensiv genutzt. Selbst wenn sich
die Mitarbeiter des Unternehmens nur selten in die
Diskussion einschalten, erhalten sie durch das
Verfolgen des Meinungsaustauschs wertvolle
Informationen für die Verbesserung des Produkts oder
der Marketingaktivitäten.
Von klassischen
Marketinginstrumenten unterscheiden sich diese
elektronischen Instrumente allerdings dadurch, daß
sie für das Unternehmen nicht kontrollierbar sind.
Nicht nur positive, auch negative Informationen über
das Unternehmen breiten sich über das Netzwerk sehr
rasch und über die ganze Welt aus. Das Internet
fungiert hier als Verstärker und Beschleuniger des
Informationsflusses. Die Unternehmen der "global
economy" werden bei ihren anderen
Unternehmensentscheidungen darauf Bedacht nehmen
müssen und zwar unabhängig davon, ob sie selbst am
Internet aktiv sind oder nicht. Die Diskussion um
den Pentium-Chip von Intel und die Schwierigkeiten,
in die sie das Unternehmen gebracht haben,
illustrieren sehr anschaulich die Macht, die vom
Internet in diesem Bereich ausgehen kann.
4.
Räumliche Auswirkungen der Entwicklung
Die Diskussion der
Auswirkungen des Internet auf verschiedene
Unternehmensbereiche ließen sich noch länger
fortsetzen. Die Auswirkungen auf die
Arbeitsorganisation etwa durch "telecommuting"
wurden ja bereits beim Symposium vor dieser
Veranstaltung ausführlich diskutiert.
Ich hoffe, daß die
bisherige Diskussion ausgereicht hat, um klar zu
machen, wie sich das Internet in die längerfristigen
globalen Entwicklungstendenzen (Globalisierung,
elektronische Revolution, steigende Bedeutung von
Information und Wissen, verschärfte Konkurrenz,
erhöhtes Risiko, verkürzte Produktlebenszyklen)
einfügt und ihnen aufgrund der ihm innewohnenden
Eigenschaften zusätzliche Dynamik verleiht. In
diesem Abschnitt soll nun untersucht werden, wie
sich die oben aufgezeigten Entwicklungstendenzen auf
einzelne Regionen, insbesondere auf Städte,
auswirken könnten.
Abbildung 2
Zentrales Element
aller oben diskutierten Auswirkungen des Internet
ist die, daß es die Bedeutung der räumlichen Nähe
drastisch verringert. Durch die Benutzung des
Internet können die Unternehmen tendenziell Nähe
(Erreichbarkeit) im physischen Raum durch
Erreichbarkeit im virtuellen Raum ersetzen.
Abbildung 2 illustriert diesen Punkt. Im linken Teil
der Abbildung ist dabei die traditionelle Situation
(Erreichbarkeit im Physischen Raum) dargestellt, im
rechten die Auswirkung des Internet. Muß ein
Unternehmen am Standort Z mit einem anderen
Unternehmen in Beziehung treten, so fallen Kosten
der Raumüberwindung an. Diese hängen normalerweise
mit der Entfernung zwischen den beiden Unternehmen
ab. Ist das andere Unternehmen am Standort a
angesiedelt, so sind die Kosten wesentlich geringer
als wenn es am Standort b siedelt. Da das
Internet nur Zugangskosten kennt, verläuft die
Kostenlinie im rechten Teil der Abbildung dort
horizontal, wo Internet-Zugang zur Verfügung steht.
Für das Unternehmen am Standort Z sind damit
die Raumüberwindungskosten zum Unternehmen in a
genauso hoch, wie zu dem Unternehmen in b.
Bei entsprechend effizienten Netzwerkverbindungen
könnten die beiden Standorte beliebig weit
voneinander entfernt sein. In den Bereichen, die
nicht mit dem Internet verbunden sind (z.B. c),
treten die traditionellen Raumüberwindungskosten
auf. Damit ergeben sich neben den üblichen
Agglomerationseffekten im physischen Raum aufgrund
der räumlichen Nähe von Unternehmen (physische
Agglomeration) nun auch Agglomerationseffekte im
virtuellen Raum des Internet (virtuelle
Agglomeration). Mit dem weiteren rasanten Wachstum
des Internet wird es zu einer Bedeutungsverschiebung
von der traditionellen physischen Agglomeration zur
virtuellen Agglomeration kommen.
Diese Verschiebung
von der physischen zur virtuellen Agglomeration hat
natürlich Konsequenzen vor allem für Städte, die
sich ja im wirtschaftlichen Bereich auf
Agglomerationsvorteilen im physischen Raum
begründen. Allerdings sind die möglichen
Konsequenzen komplexerer Natur, als man auf den
ersten Blick vermuten könnte. Denn die Entwicklung
des Internet kann für Städte zu einigen
gegenläufigen Auswirkungen führen:
- Wie oben
dargestellt, ist für die virtuelle Agglomeration
der Zugang zum Internet wichtig. Die
Möglichkeit des Zugangs zum Internet ist
allerdings nicht überall gleich, sondern in erster
Linie auf größere Städte konzentriert. Nur dort
ergibt sich jenes Mindestmaß an Nachfrage, die den
Betrieb eines Zugangsknotens wirtschaftlich
ermöglicht. Im Sinne der "Theorie der zentralen
Orte" stellt "Internet-Zugang" derzeit also ein
Produkt hoher Zentralität dar, das nur in größeren
Städten angeboten wird. "Internet-Zugang" stellt
damit einen Standortvorteil der Städte gegenüber
ländlichen Regionen dar, wo Unternehmen -
zumindest in absehbarer Zeit - noch keinen Zugang
zur virtuellen Agglomeration finden können.
- Allerdings wurde
oben auch gezeigt, daß es aufgrund der
Übertragungsgeschwindigkeit und der Art der
Kostenzurechnung des Internet für die Unternehmen
weitgehend egal ist, wo sie Zugang zur
virtuellen Agglomeration finden. Da heute in
praktisch allen größeren Städte ein Zugang zum
Internet möglich ist, konkurrieren sie alle um
jene Unternehmen, die die virtuelle Agglomeration
suchen. Das Internet verschärft damit wesentlich
die Konkurrenzsituation zwischen den Städten
gerade um die oft als "interessant" angesehenen
Unternehmen (innovativ, wissensverarbeitend,
elektronikorientiert). Nachdem die Unternehmen
allerdings in allen größeren Städten Zugang zum
Internet finden, verschiebt sich die Konkurrenz
auf andere lokale Faktoren: der Preis des
Internet-Zugangs, administrative Hürden,
Bürokosten, Personalkosten, Imagefaktoren.
Dadurch, daß die Unternehmen der "global economy"
durch das Internet räumlich mobiler werden, wird
sich die Konkurrenz zwischen den Städten bei den
lokalen Faktoren verschärfen. Die Globalisierung
der Wirtschaft wird damit zu einer verstärkten
Bedeutung gerade der lokalen Besonderheiten
führen.
Abbildung 3
Diese Auswirkungen
sind in Abbildung 3 schematisch dargestellt. Die
Abbildung zeigt eine Städtehierarchie in
schematischer Form. Knoten weiter oben in der
Abbildung repräsentieren Städte mit größerer
Bedeutung. Im Baum unter ihnen liegende Städte
(Knoten) stehen in ihrem Einflußbereich. Die
strichlierte Linie soll die Grenze darstellen, bis
zu der ein Internetzugang zur Verfügung steht. Für
Städte, die in der Städtehierarchie unter dieser
Linie liegen, ist ein Internetzugang ökonomisch
nicht sinnvoll. Im Laufe der Zeit wird sich diese
Grenze nach unten verschieben.
Wie bereits
erwähnt, stellt der Internetzugang einen der
Standortvorteile der über der Grenze liegenden
Städte gegenüber jenen unter der Grenze dar. Es wird
daher, wie die Pfeile am rechten Rand der Abbildung
andeuten sollen, zu einer Vergrößerung der Kluft
zwischen den beiden Gruppen von Städten kommen.
Allerdings führt die Fähigkeit des Internet, große
Distanzen zu überbrücken auch dazu, daß die Städte
über der Grenze ökonomisch näher zusammenrücken.
Damit verstärkt sich deren Konkurrenz, sowohl
zwischen den Städten auf gleicher, wie auch jenen
auf unterschiedlicher Hierarchieebene. Die
hierarchische Struktur des traditionellen
Städtesystems wird ergänzt durch ein weitgehend
hierarchieloses Gewebe aus Netzwerkbeziehungen, das
durch die Pfeile in der Abbildung angedeutet werden
soll.
Diese Veränderungen
bringen für die Städte vorallem zwei Konsequenzen
mit sich: größere Unsicherheit über ihre zukünftige
Entwicklung (sowohl Chancen als auch Gefahren) durch
die höhere räumliche Mobilität der ökonomischen
Aktivitäten und eine weltweite Interdependenz der
Entwicklungen. Selbst die Primatstädte, also die
Städte an der Spitze der Städtehierarchie eines
Landes oder einer Region, sehen sich mehr und mehr
den Einflüssen aus anderen Regionen der Welt
ausgesetzt. Wie im Zeitalter der Industrialisierung,
wo die Grundlagen für die Macht- und
Aufgabenverteilung zwischen den Städten des 19. und
20. Jahrhunderts gelegt wurden, werden im
derzeitigen Übergang zur Informationsgesellschaft
die Grundlagen für die Funktions- und
Aufgabenverteilung des 21. Jahrhunderts geschaffen.
Wichtige Faktoren in dieser Neuverteilung werden
einerseits die lokale Lebens- und Standortqualität,
andererseits die Qualität der Einbindung in die
globalen Netzwerke sein.
In der derzeitigen
Umbruchsituation ist es für die Städte notwendig,
ihre Position in diesem geänderten Gefüge neu zu
bestimmen. Neben Aufbau und Pflege eines Images im
Rahmen von Citymarketing-Aktivitäten ist es
notwendig, komparative Vorteile der eigenen Stadt
gegenüber anderen zu identifizieren und zu
verstärken, für Effizienz und Flexibilität in der
Verwaltung zu sorgen und sich über lokale
Besonderheiten von anderen Städten abzuheben.
Allerdings ist
dabei zu beachten, daß wegen des globalen Umfangs
des Entwicklungsprozesses einzelne Städte heute
nicht mehr in der Lage sind, diesen entscheidend zu
gestalten. Auch Städte, die früher die Entwickling
in ihrer Region bestimmen konnten, sind heute diesen
Prozessen weitgehend ausgeliefert. Um wenigstens
rechtzeitig auf Entwicklungen vorbereitet zu sein,
können sie allerdings ähnliche Strategien
einschlagen wie die Unternehmen. Durch die Bildung
von Netzwerken, Kooperationen und strategischen
Allianzen können sie den Informationsfluß
beschleunigen und Raum für Spezialisierung schaffen.
Da sich auch das Städtesystem mehr und mehr
globalisiert, müssen die Städte einer Region
trachten, untereinander zusammenzuarbeiten, um so
gemeinsam Vorteile in der Konkurrenz mit anderen
Regionen zu erlangen.
Die neue
Technologie des Internet kann dabei auch von den
Städten nutzbringen eingesetzt werden. Das Internet
kann nicht nur die Kommunikation innerhalb eines
Städtenetzwerks beschleunigen, sondern läßt sich
beispielsweise auch als Instrument des
Citymarketings einsetzen. Zwar gibt es bereits eine
Reihe von Stadtpräsentationen am World-Wide- Web,
die meisten von ihnen gehen allerdings auf die
Privatinitiative von Einzelpersonen zurück und sind
daher entsprechend lückenhaft und wenig
professionell. Nur wenige von ihnen gehen über die
elektronische Form einer Tourismusbroschüre hinaus
und nutzen etwa die Interaktionsmöglichkeiten des
Internet für gezielte Anfragen, Bestellungen oder
Reservierungen. Bei entsprechender Durchdringung
kann das Internet sicherlich auch für die
Vereinfachung und Beschleunigung verwaltungsinterner
Abläufe eingesetzt werden und in weiterer Folge
vielleicht einmal auch für den engeren Kontakt mit
den Bürgern.
Anders als die
Unternehmen der "global economy", die räumlich mobil
sind und auf Veränderungen in der globalen
Entwicklung mit Standortverlagerung reagieren
können, sind Städte definitionsgemäß räumlich
immobil. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben wird daher
darin bestehen, die Abstimmung zwischen der globalen
Entwicklung und den lokalen Gegebenheiten, der
lokalen Wirtschaftsstruktur, Kultur, politischen und
sozialen Struktur, herzustellen. In den Städten
werden sich die Konflikte zwischen den beiden Ebenen
artikulieren und es wird zu den wichtigsten Aufgaben
der Städte gehören, diese Konflikte vorherzusehen,
darauf vorbereitet zu sein und sie, wenn sie
aufbrechen, effizient zu managen. Die Art, wie es
eine Stadt schafft, mit diesen Konflikten umzugehen,
wird einen wichtigen Faktor in den
Standortentscheidungen der global mobilen Wirtschaft
darstellen.
Eine erhebliche
Gefahr für die Städte liegt in der möglichen
Segmentierung zwischen einem in die internationale
Entwicklung eng eingebundenen und einem davon
abgekoppelten, lokal verankerten Teil (Castells,
1993). Der Verlust an Macht, Einfluß und
Gestaltungsmöglichkeit, den das lokal verankerte
traditionelle Segment gegenüber der globalen
Entwicklung und ihren Repräsentanten in der Stadt
erleidet, kann zu schweren politischen und sozialen
Konflikten führen, die durch die ökonomische
Marginalisierung des traditionellen Segments
angeheizt werden. Daraus entstehende konservative
Tendenzen, die danach trachten, einst
funktionierende Strukturen zu erhalten oder zu
reinstallieren und sich von der globalen Entwicklung
abzukoppeln, können die Segmentierung und damit den
Konflikt nur verschärfen.
Castells sieht
zumindest drei grundlegende Voraussetzungen dafür,
daß die lokale Politik diesen Übergang erfolgreich
meistern kann: Erstens Bürgerbeteiligung, die
Stadtverwaltung und Bürger zu einander
respektierenden Partnern macht. Dies ermöglicht
einerseits den Bürgern, ihre Ziele und Vorstellungen
einzubringen und die Stadtverwaltung mit
Informationen zu versorgen, andererseits kann die
Stadtverwaltung dadurch auch die Rahmenbedingungen
und Restriktionen ihrer Politik transparenter und
ihre Entscheidungen verständlicher machen. Zweitens
Kooperation, Informations- und Erfahrungsaustausch
mit anderen Städten um so den globalen
Entwicklungstendenzen gegenüber stärker auftreten zu
können. Das Internet bietet die technologische Basis
für eine derartige Kooperation nicht nur auf den
verschiedenen Ebenen der Verwaltung, sondern auch
zwischen Bürgern und ihren Interessensgruppen. Die
Schwierigkeiten liegen hier heute in der adäquaten
organisatorischen Umsetzung und Einbindung in
bestehende organisatorische Strukturen. Drittens die
Vision einer neuen Stadt in einer neuen
Gesellschaft. Wegen der radikal veränderten
Rahmenbedingungen kann diese Zielvorstellung sich
nicht mehr nur auf eine Stadt konzentrieren, sondern
muß das gesamte europäische Städtesystem umfassen.
Trotz des offensichtlichen höheren
Koordinationsaufwandes ist diese Abstimmung
notwendig, weil nur dann eine Chance besteht, in den
globalen Entwicklungsprozeß gestaltend einzugreifen.
Das Internet sollte sich auch dafür als nützlich
erweisen.
5.
Zusammenfassung
In diesem Beitrag
wurde untersucht, wie sich ein globales
Computernetzwerk wie das Internet auf die räumliche
Organisation der Wirtschaft und damit auch auf
Städte auswirkt. Ausgangspunkt der Diskussion war
eine kurze Darstellung der ökonomischen
Eigenschaften des Internet und von deren Beziehung
zu traditionellen Faktoren, die die räumliche
Organisation der Wirtschaft beeinflussen. Dabei
wurde gezeigt, daß das Internet den traditionellen
Agglomerationsfaktoren weitere, im virtuellen Raum
wirkende Ballungswirkungen hinzufügt. Das Internet
ermöglicht damit neben der physischen Agglomeration
von wirtschaftlichen Aktivitäten auch eine virtuelle
Agglomeration.
Die Entwicklung des
Internet ist eng verbunden mit einem umfassenderen
Entwicklungsprozeß in Richtung auf eine globale
Wirtschaft und eine Informationsgesellschaft. Diese
Entwicklung wird dramatische Auswirkungen auf die
räumliche Organisation der Wirtschaft haben
insofern, als Unternehmensstandorte wesentlich
mobiler sein und stärker auf lokale und regionale
Besonderheiten reagieren werden. Dieser Faktor macht
Städte zu den primär Betroffenen der globalen
Entwicklung. Zugleich verändern sich durch die
globale Entwicklung aber die Rahmenbedingungen,
unter denen Städte Politik betreiben können, sodaß
sie in Zukunft vor schwierigen und schwerwiegenden
Entscheidungen stehen werden, bei denen mehr
Einflußfaktoren als früher außerhalb ihrer
Entscheidungsgewalt liegen. Diese Situation
erfordert neue Strategien, deren Schwerpunkte im
frühzeitigen Erkennen von Entwicklungen und in der
engeren Kooperation mit anderen Städten liegen muß.
Ein globales Netzwerk wie das Internet kann den
Städten dabei helfen, mit den Auswirkungen des
globalen Entwicklungsprozesses - von dem das
Internet ein wichtiger Faktor ist - besser zurande
zu kommen.
Literatur
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The Informational City. Oxford: Basil Blackwell.
Castells, M.,
1993.European Cities, the Informational Society, and
the Global Economy, Tijdschrift voor Econ. en Soc.
Geographie, 84, Nr. 4, S. 247-257.
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Doing Business on the Internet: How the Electronic
Highway is Transforming American Companies, New
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Davidow, W.H., M.S.
Malone, 1992. The Virtual Corporation, New York:
HarperCollins.
MacKie-Mason, J.,
H. Varian, 1993a. Some Economics of the Internet.
Working Paper, Department of Economics, University
of Michigan, Ann Arbor.
MacKie-Mason, J.,
H. Varian, 1993b. Pricing the Internet. Working
Paper, Department of Economics, University of
Michigan, Ann Arbor.
Maier, G., A.
Wildberger, 1994. In 8 Sekunden um die Welt:
Kommunikation über das Internet, 3. Auflage, Bonn:
Addison-Wesley.
Quarterman, J.S.,
1990. The Matrix: Computer Networks and Conferencing
Systems Worldwide. Bedford, MA: Digital Press.
Quarterman, J.S.,
1993. The Global Matrix of Minds. In: L.M. Harasim
(Hrsg.) Global Networks, Computers and International
Communication, Cambridge, MA: The MIT Press.
Tödtling, F., 1994.
Netzwerke als neues Paradigma der
Regionalentwicklung?, Papier zur Herbsttagung des
Österreichischen Instituts für Raumplanung, 12.
Dezember 1994.
Fußnoten
1.
Für eine Beschreibung dieser Internet-Dienste siehe
etwa Maier, Wildberger, 1994.
2.
Nur in dem Umfang, als Rechen- und Netzwerkkapazität
beansprucht werden, wodurch der Zugriff für andere
Benutzer etwas länger dauert.
3.
Für die Softwareindustrie stellt das auch ohne
Internet ein erhebliches Problem dar.
4.
Die einzige entfernungsabhängige Kostenkomponente
wären bei interaktiven Diensten die Zeitkosten bei
Übertragung über größere Entfernungen. Allerdings
hängen die Response-Zeiten üblicherweise stärker von
anderen Parametern als der physischen Distanz
zwischen den beiden Computern ab.
Auf der Grundlage der derzeit verwendeten
Technologie ist eine entfernungsabhängige
Kostenstruktur nicht realisierbar.
5.
Für andere Beziehungen zwischen den
Unternehmensteilen kann natürlich die physische
Distanz weiterhin eine wichtige Kostengröße
darstellen.
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